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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 69 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

sicherungsleistungen bilden einen wesentlichen Teil der Aufgabe des Anwalts in<br />

komplexen Haftungsfällen wie dem vorliegenden. Man kann die Vertretung eines<br />

Geschädigten durch einen Anwalt nicht gr<strong>und</strong>sätzlich als nicht notwendig oder<br />

nicht angemessen ansehen, nur weil die Sozialversicherer die Offizialmaxime zu<br />

beachten haben. Es gehört vielmehr gerade zur Sorgfaltspflicht eines Anwaltes,<br />

dass er die Rechte eines Geschädigten gegenüber den Sozialversicherungen wahrnimmt.<br />

Erst wenn nämlich alle Leistungen der Sozialversicherer verbindlich feststehen,<br />

lässt sich überhaupt der Direktschaden berechnen, den der Geschädigte<br />

gegenüber dem Haftpflichtigen oder, wenn ein direktes Forderungsrecht besteht,<br />

gegenüber dessen Haftpflichtversicherung geltend machen kann. Man kann also<br />

nicht ohne weiteres sagen, dass die anwaltlichen Bemühungen gegenüber Sozialversicherern<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nicht zum vorprozessualen Aufwand gehören würden<br />

(dazu Berner Kommentar, R. Brehm, N 89 ff. insbes. N 91b zu Art. 41 OR).<br />

Dem Beschwerdeführer ist auch insoweit beizupflichten, als der Aufwand für<br />

die Bemühungen um Sozialversicherungsleistungen keineswegs ohne Weiteres<br />

<strong>und</strong> in allen Fällen durch Parteientschädigungen «in den entsprechenden verwaltungsrechtlichen<br />

Verfahren» berücksichtigt ist. Vielmehr gilt dies, wie der Beschwerdeführer<br />

ebenfalls zutreffend kritisiert, nur für das (versicherungs-)gerichtliche<br />

Verfahren, nicht aber für die Vertretung vor den Verwaltungsinstanzen bis zum<br />

Einspracheverfahren. Diese Bemühungen generell nicht als vorprozessualen Aufwand<br />

gelten zu lassen, obschon er letztlich der Ermittlung des Direktschadens gilt,<br />

ist auch unter dem Willküraspekt nicht haltbar.<br />

Gewiss umfasst eine Prozessentschädigung immer auch ein gewisses Ausmass<br />

an anwaltlichem Aufwand für vorprozessuale Bemühungen. Dieser durch die Prozessentschädigung<br />

abgedeckte, vor einem <strong>und</strong> im Hinblick auf einen Prozess entstehende<br />

durchschnittliche Aufwand muss aber in einem vernünftigen Verhältnis<br />

zum – hier gr<strong>und</strong>sätzlich nicht in Frage gestellten – effektiven vorprozessualen Aufwand<br />

in einem komplexen Haftpflichtfall stehen. Der Prozessvorbereitung dient ein<br />

gewisser Anteil des Prozesshonorars, den Aufwand für sozialversicherungsrechtliche<br />

Verfahren als tariflich entschädigungsgedeckte Vorbereitung im Prozess um<br />

den Direktschaden anzusehen, ist aber sachfremd. Im vorliegenden Fall hätte nicht<br />

einmal ein Zuschlag auf dem mittleren Honorar für die Prozessführung um den<br />

Direktschaden die vorprozessualen Bemühungen in den Sozialversicherungsverfahren<br />

abgelten können.<br />

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