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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 100 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

100<br />

Art. 51 <strong>St</strong>P (sGS 962.1). Die Vertretungsbefugnis infolge Unmündigkeit ist<br />

bei der Ausübung von höchstpersönlichen Rechten einer urteilsfähigen<br />

Person ausgeschlossen.<br />

Anklagekammer, 8. November <strong>2006</strong><br />

Eine Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde erstattete Anzeige gegen den am 13. März 1986 geborenen<br />

Paul X. wegen Verdachts auf sexuelle Handlungen mit Kindern im Sinne<br />

von Art. 187 <strong>St</strong>GB, weil dieser seit April 2005 eine intime Beziehung mit der am<br />

4. April 1991 geborenen Klara Y. gepflegt habe. Klara Y. selber reichte weder <strong>St</strong>rafnoch<br />

Zivilklage ein. Das Untersuchungsamt stellte das <strong>St</strong>rafverfahren gegen Paul X.<br />

gestützt auf Art. 187 Ziff. 3 <strong>St</strong>GB definitiv ein. Die vom Beistand von Klara Y. beauftragte<br />

Rechtsanwältin erhob im Namen von Klara Y. Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung.<br />

Klara Y. hatte keinen Auftrag zur Beschwerdeeinreichung erteilt.<br />

Die Anklagekammer trat auf die Beschwerde nicht ein.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

3. a) Klara Y. ist aufgr<strong>und</strong> ihres Alters unmündig. In Bezug auf die sexuellen<br />

Kontakte, welche sie freiwillig <strong>und</strong> innerhalb einer Liebesbeziehung vornahm, ist<br />

sie hingegen als urteilsfähig einzustufen.<br />

b) Die sexuelle Freiheit <strong>und</strong> Selbstbestimmung stellen ein Persönlichkeitsrecht<br />

gemäss Art. 28 ZGB dar, wobei dieses Recht bzw. dessen Ausübung als höchstpersönlich<br />

im Sinne von Art. 19 Abs. 2 ZGB zu gelten hat (Bucher, Berner Kommentar<br />

zum ZGB, Bd. I.2.1., Bern 1976, Art. 19 N 222; Bucher, Natürliche Personen <strong>und</strong><br />

Persönlichkeitsschutz, 3. A., Basel 1999, N 154 f., 466, 512; BSK ZGB I – Meili,<br />

Art. 28 N 17; Hausheer/Aebi-Müller, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches,<br />

Rz 07.26).<br />

Höchstpersönliche Rechte sind Rechte, die so persönlicher Natur sind, dass<br />

sie gr<strong>und</strong>sätzlich nicht durch einen Vertreter ausgeübt werden dürfen, vielmehr<br />

müssen sie durch die betroffene Person selbst ausgeübt werden (Riemer, Personenrecht<br />

des ZGB, Bern 2002, § 3 N 79). Auch der urteilsfähige Unmündige ist<br />

fähig, die höchstpersönlichen Rechte selber auszuüben. Unter Ausübung der Rechte<br />

wird nicht nur die Geltendmachung eines subjektiven Rechts verstanden,<br />

sondern die Gesamtheit der Rechtsgeschäfte, der rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen<br />

<strong>und</strong> Willenserklärungen, die in irgendeiner Weise die Rechtsbeziehung des<br />

Erklärenden oder eines Dritten beeinflussen. Die diesbezügliche Handlungsfähigkeit<br />

umfasst auch die Prozessfähigkeit; damit können die höchstpersönlichen<br />

Rechte auch im Prozess selbständig geltend gemacht werden. Dabei muss dem<br />

urteilsfähigen Unmündigen die Befugnis zuerkannt werden, selbständig seine<br />

Rechte als Geschädigter im <strong>St</strong>rafverfahren gegen den Verletzer wahrzunehmen,<br />

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