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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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<strong>St</strong>aats- <strong>und</strong> Verwaltungsrecht GVP <strong>2006</strong> Nr. 118<br />

schulinteressiert sind, zum Zeitpunkt der Einschulung aber noch über unzureichende<br />

Basisfunktionen verfügen (vgl. Richtlinien zur Schaffung von Alternativen zu Einführungsklassen<br />

vom 13. Juni 2001; SchBl 2001, Nr. 7-8). Der <strong>St</strong>offplan des Einschulungsjahres<br />

orientiert sich im Wesentlichen an den individuellen Voraussetzungen<br />

der einzelnen Kinder <strong>und</strong> am generellen Ziel der Schulfähigkeit. Dabei geht es<br />

hauptsächlich um die Förderung der allgemeinen Basisfunktionen (Wahrnehmung,<br />

Koordination, Raum-Lage-Orientierung, zeitliche Orientierung, Konzentration, Motorik<br />

usw.) <strong>und</strong> um die Vorstufen der Kulturtechniken (Grafomotorik, Mengenerfassen,<br />

Lautierung usw.). Bei der Zuweisung in das Einschulungsjahr ist Art. 35bis<br />

VSG, welche Norm sich auf die Einführungsklasse als Form der Kleinklasse bezieht,<br />

sachgemäss anzuwenden (vgl. auch Anhang zu den Richtlinien zur Schaffung<br />

von Alternativen zu Einführungsklassen, a. a. O.).<br />

c) Gemäss Art. 35bis Abs. 2 VSG kann der Schulrat nur in Ausnahmefällen ohne<br />

Zustimmung der Eltern eine Zuweisung eines teilweise schulreifen Kindes in die<br />

Einführungsklasse bzw. das Einschulungsjahr vornehmen. Er holt das Gutachten<br />

einer Fachstelle ein. Der Gesetzgeber verlangt explizit die Zustimmung der Eltern<br />

für eine Zuweisung in die Einführungsklasse, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass<br />

der Erfolg dieser besonderen Schulform eher gewährleistet ist, wenn die Eltern<br />

diese befürworten. Fehlt die Zustimmung, könnte dies für das Kind negativere Auswirkungen<br />

haben als eine Einschulung in die Regelklasse. Gemäss Rekurspraxis<br />

des Erziehungsrates ist die Zuweisung in die Einführungsklasse oder in das Einschulungsjahr<br />

ohne Zustimmung der Eltern lediglich bei Vorliegen eines eindeutigen<br />

<strong>und</strong> einlässlich begründeten fachpädagogischen Gutachtens angebracht.<br />

3. a) Eine Zustimmung der Eltern zur Zuweisung in das Einschulungsjahr liegt<br />

im vorliegenden Fall nicht vor. Somit ist zu prüfen, ob ein Ausnahmefall nach<br />

Art. 35 Abs.2 VSG vorliegt, welcher es erlauben würde, B. gegen den Willen ihrer<br />

Eltern dem Einschulungsjahr zuzuweisen.<br />

b) Aus dem schulpsychologischen Bericht geht hervor, dass B.’s intellektuelle<br />

Leistungsfähigkeit im mittleren Durchschnittsbereich liegt. Der Schulpsychologe<br />

befürchtet, dass sie diese nicht in entsprechende Leistungen werde umsetzen<br />

können. B. ist der Expertin des Erziehungsrates indessen weder in der Mathematik-<br />

noch in der Sprachst<strong>und</strong>e speziell aufgefallen. Beim visuellen <strong>und</strong> auditiven<br />

Differenzieren hat sie, abgesehen davon, dass sie sich umständlich an die Arbeit<br />

machte, keine Schwierigkeiten gezeigt. Bei der Lautdifferenzierung hatte sie keine<br />

Probleme, wenngleich ihr Wortschatz recht karg war. Die Lehrerin beurteilt B. zurzeit<br />

als Grenzfall; beim Rechnen <strong>und</strong> Schreiben könne sie in der schwachen <strong>und</strong><br />

anspruchsvollen Klasse aber gut mithalten. Die Lehrerin ist bereit, B. in der ersten<br />

Klasse zu behalten <strong>und</strong> ihr die durch den SPD geforderte wohlwollende <strong>und</strong> bestätigende<br />

Führung zukommen zu lassen.<br />

Die festgestellten Schwierigkeiten B.’s reichen nicht aus, um sie gegen den<br />

Willen ihrer Eltern dem Einschulungsjahr zuzuweisen. B. ist durch die Schularbeit<br />

mit den Eltern offenbar bereits so weit auf schulische Leistungen <strong>und</strong> Schulstoff<br />

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