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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 73 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

73<br />

Art. 156 Ziff. 3 <strong>St</strong>GB (SR 311.0). Bei Abnötigung eines Fahrzeuges zum Gebrauch<br />

unter Waffendrohung ist der Tatbestand der räuberischen Erpressung<br />

erfüllt.<br />

Kantonsgericht, <strong>St</strong>rafkammer, 21. August <strong>2006</strong><br />

X forderte das Opfer mit vorgehaltener Pistole auf, ihm seine Autoschlüssel herauszugeben.<br />

X wollte sich das Fahrzeug nicht aneignen, sondern für eine Fahrt<br />

nach Zürich benützen.<br />

Aus den Erwägungen:<br />

2. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern,<br />

jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten<br />

bestimmt, wodurch dieser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt,<br />

wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (Art. 156 Ziff. 1<br />

<strong>St</strong>GB). Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer<br />

gegenwärtigen Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben, so richtet sich die <strong>St</strong>rafe nach Art. 140<br />

<strong>St</strong>GB (Art. 156 Ziff. 3 <strong>St</strong>GB). Nach dem Wortlaut der sogenannten räuberischen Erpressung<br />

gemäss Art. 156 Ziff. 3 <strong>St</strong>GB richtet sich die <strong>St</strong>rafe – <strong>und</strong> nicht etwa die<br />

Voraussetzungen – nach dem Raub. Die Aneignungsabsicht ist deshalb nicht Tatbestandselement<br />

(vgl. BSK <strong>St</strong>GB II-Weissenberger, N 27 zu Art. 156). Etwas anderes<br />

kann auch der Botschaft nicht entnommen werden (vgl. BBl vom 18. Juni 1991,<br />

S. 1045). Das B<strong>und</strong>esgericht hat in seinem Entscheid vom 20. Dezember 2000 das<br />

Vorliegen einer räuberischen Erpressung trotz Fehlens des Aneignungswillens bejaht<br />

(vgl. BGE 6S. 162/2000, Erwägung 3.b-e). Gemäss Art. 156 <strong>St</strong>GB muss sich das Opfer<br />

selber oder einen anderen am Vermögen schädigen. Aus dem Erfordernis der<br />

Selbstschädigung wird von der herrschenden Lehre abgeleitet, dass dem Betroffenen<br />

eine gewisse Wahlfreiheit bleiben müsse bzw. dass der Betroffene auf die aktive<br />

Mitwirkung des Opfers angewiesen sein müsse, um die in Aussicht genommene<br />

Beute zu erlangen. Deshalb wird eine Vermögensverfügung <strong>und</strong> -schädigung bzw.<br />

deren Unmittelbarkeit verneint, wenn das Opfer dem Täter nur ermöglicht, die Verfügung<br />

über sein Vermögen vorzunehmen, oder wenn ein Dritter die eigentliche Vermögensverfügung<br />

vornimmt (vgl. BSK <strong>St</strong>GB II-Weissenberger, N 16 zu Art. 156, mit<br />

vielen Hinweisen; vgl. <strong>St</strong>ratenwerth/Jenny, Schweizerisches <strong>St</strong>rafrecht, Besonderer<br />

Teil I, Bern 2003, § 17 N 7; Rehberg/Schmid/Donatsch, <strong>St</strong>rafrecht III, Zürich 2003,<br />

S. 241 ff.). Dementsprechend kann das Abnötigen des Gebrauchs eines Motorfahrzeugs<br />

oder einer anderen Sache unter Waffengewalt nach der herrschenden Lehre<br />

nicht als Erpressung aufgefasst werden. Der Eigentümer des Wagens wird gezwungen,<br />

den Gewahrsamsbruch am Fahrzeug zu dulden, er wirkt nicht mit bzw. hat<br />

keine Wahlfreiheit. Es bleibt allein ein Wegnahmedelikt in echter Konkurrenz mit den<br />

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