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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 120 <strong>Verwaltungspraxis</strong><br />

nacheinander die Kugel auf die Zahl rollt, auf die gesetzt worden ist. Besonders «überlegt»,<br />

«durchdacht» <strong>und</strong> mithin planmässig ist die Vorgabe zusätzlicher Gewinnbedingungen<br />

durch den Spielveranstalter, die für den durchschnittlichen Bürger 29 wenig erkennbar<br />

die Gewinnwahrscheinlichkeit, mit der das Spiel beworben wird, erheblich<br />

herabsetzen. Zumindest beim «lotterieähnlichen Glücksspiel», das der Gesetzgeber ja<br />

als «Auffangtatbestand» verstanden wissen wollte, ist nicht zu sehen, wieso ein anderes<br />

Verständnis – entgegen dem Wortlaut von Art.1 Abs.2 LG – sich rechtfertigen sollte.<br />

Ob der Veranstalter ein Risiko trägt oder nicht, oder es mathematisch, insbesondere<br />

aufgr<strong>und</strong> von Wahrscheinlichkeitsrechnungen, kalkuliert oder nicht, ist in Bezug auf<br />

die Frage nach der Bedeutung des Begriffs «Planmässigkeit» nicht von Interesse <strong>und</strong><br />

nicht durch Art.1 Abs.2 LG bestimmt. Hingegen ist durch den Begriff «planmässig»<br />

vorgegeben 30 , dass über den Gewinn des Spielteilnehmers (beim einzelnen Spiel) nicht<br />

der «reine» Zufall alleine entscheidet, sondern auch ein «Planelement» «mitspielt» 31 .<br />

Was wie ein Widerspruch zu sein scheint, nämlich Planbarkeit <strong>und</strong> Zufall, bietet die<br />

Möglichkeit zur Abgrenzung von klassischem Lotterie- <strong>und</strong> Spielbankenspiel je nach ihrem<br />

unterschiedlichen Wesen <strong>und</strong> erspart unsachgerechte, an den gegebenen Glücksspielrealitäten<br />

vorbeigehende Konstruktionen über «ausgeschlossene Spielrisiken»,<br />

auch wenn diese einfacher sein mögen 32 .<br />

29 BGE 99 IV 29 unten – vorstehend ggf. auch «Durchschnittsspieler» genannt.<br />

30 Die dem LG unterstellten, auf dem Schneeballsystem beruhenden Glücksspiele, bei denen<br />

die Rechtsprechung «den Zufall» in der immer mehr kleineren Wahrscheinlichkeit, weitere<br />

Spielteilnehmer zu finden (das Spiel genügend lange am Laufen zu halten), sieht, liegt das<br />

Planelement im Wissen insbesondere des (Spiel-)Initianten, aber auch jeden weiteren Mitspielers<br />

– <strong>und</strong> trotzdem bieten sie das Spiel an –, dass es für jeden zusätzlichen angeworbenen<br />

Mitspieler immer schwieriger wird, das Spiel am Laufen zu erhalten (weitere Spieler<br />

anzuwerben) <strong>und</strong> die Gewinnaussichten rapide abnehmen, je weiter «unten» in der Spielerpyramide<br />

sich der (angeworbene) Mitspieler befindet.<br />

31 Mit dieser Lösung werden auch die in verschiedenen Formen, insbesondere auf ausländischen<br />

TV-Kanälen, nicht als Gratisspiel angebotenen Schätz- oder (scheinbar) Wissensspiele<br />

sachgerecht als lotterieähnliche Spiele erfasst. Denn entweder findet die «Planmässigkeit» in<br />

Form der Gewinnbeschränkung durch Gewinne von Mitspielern statt <strong>und</strong> bleibt so nicht völlig<br />

dem Zufall überlassen (den Hauptpreis gewinnt derjenige, der die Zahl der im Glas vorhandenen<br />

Reiskörner am genauesten geschätzt hat), oder es sind unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten<br />

(-geschwindigkeiten) zum Spiel durch den Anbieter festgelegt, welche so, ohne<br />

dass der Spielteilnehmer davon weiss, die Gewinnaussicht schon dadurch unterschiedlich<br />

auf die Spielteilnehmer verteilt, als gewisse Teilnehmer «gar nicht bis zum Spiel gelangen».<br />

Beim Spiel selbst finden sich dann oft noch weitere Gewinnbeschränkungen.<br />

32 In BGE 123 IV 230, mit welchem das BGer die mathematische Berechnung (somit auch die<br />

Wahrscheinlichkeitsrechnung) doch zur Spielrisikoberechnung zugelassen hat, hat es darüber<br />

hinaus ausgeführt, es sei über «die Art der Veranstaltung» (sc. Spielveranstaltung) die<br />

Unterstellung unter das LG (oder das SBG) zu prüfen. Während der Spielvorgang des je einzelnen<br />

Spielbankenspiels sehr kurz ist, ziehen sich Lotteriespiele über längere Zeit hin. Ein<br />

Spielangebot von zahlreichen einzelnen Spielvorgängen mit je kurzer Zeitdauer aber über einen<br />

längeren Zeitrahmen hinweg, würde – nach Art der Veranstaltung – eine Zuordnung zur<br />

Spielbank nahe legen, während ein sich über einen längeren Zeitraum sich hinziehendes<br />

einzelnes Glücksspiel wieder eher die Zuordnung zur Lotterie rechtfertigt.<br />

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