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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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Rechtspflege GVP <strong>2006</strong> Nr. 103<br />

nahme so lange aufrechterhalten, bis feststeht, an welche Person(en) <strong>und</strong> in<br />

welchem Umfange das Geld zurückzugeben ist.<br />

Mit der von den <strong>St</strong>rafverfolgungsbehörden angeordneten Sperre der Konten bei<br />

der Beschwerdeführerin ist gewährleistet, dass der Angeschuldigte keinen Zugriff<br />

auf die mutmasslich deliktisch erlangten Vermögenswerte hat. Er selber erhebt<br />

hierauf auch keinen Anspruch. Die Vorinstanz hat mit dem streitigen Entscheid<br />

nicht nur die Aufhebung der Sperre verfügt, sondern zugleich angeordnet, dass die<br />

Konten saldiert <strong>und</strong> deren Gegenwert auf das Konto der geschädigten Firmen überwiesen<br />

werden sollen. Damit begnügt sich die Vorinstanz nicht nur mit einer<br />

Freigabe der gesperrten Konten, sondern ordnet eine Umverteilung der Vermögenswerte<br />

an. Dadurch werden insbesondere die Interessen der Beschwerdeführerin<br />

tangiert, welche Verrechnungsansprüche geltend macht.<br />

3. Bei der Rückgabe beschlagnahmter Gegenstände oder Vermögenswerte i. S.<br />

von Art. 145 <strong>St</strong>P kann es nur darum gehen, die durch die Beschlagnahme gestörten<br />

rechtmässigen Vermögensverhältnisse wieder herzustellen; der Untersuchungsrichter<br />

hat nicht über Gegenforderungen <strong>und</strong> andere zivilrechtliche Ansprüche zu<br />

befinden (GVP 1977 Nr. 34). Erfolgte die Sicherstellung bei einem gutgläubigen<br />

Dritten – wovon im vorliegenden Fall einstweilen ausgegangen werden darf –, ist<br />

die Rückgabe an diesen zu verfügen (BGE 120 Ia 121 f.); es ist dann allenfalls Aufgabe<br />

des Sachrichters, über die Eigentums- <strong>und</strong> Besitzverhältnisse zu entscheiden<br />

(GVP 1983 Nr. 69). Jedenfalls kann es nicht Aufgabe der strafprozessualen Beschlagnahme<br />

sein, ein die Parteirollen im Zivilprozess umkehrendes Gewahrsamsverhältnis<br />

zu begründen.<br />

Dies Letztere beinhaltet aber gerade die angefochtene Verfügung, indem der<br />

Beschwerdeführerin eine Frist zur Klageerhebung angesetzt wird, obwohl sich die<br />

streitigen Vermögenswerte in ihrem Gewahrsam befinden. Die Beschwerde erweist<br />

sich deshalb als begründet <strong>und</strong> der streitige Entscheid ist aufzuheben.<br />

Die Aufhebung der Verfügung hat nicht zwingend zur Folge, dass die Vorinstanz<br />

eine Neubeurteilung vorzunehmen hat. Sie wird nach pflichtgemässem Ermessen<br />

hierüber zu entscheiden haben. Dabei ist festzuhalten, dass es nicht Aufgabe der<br />

<strong>St</strong>rafverfolgungsbehörden ist, im <strong>St</strong>reitfalle während des laufenden <strong>St</strong>rafverfahrens<br />

Zuteilungen im Sinne von Art. 145 Abs. 3 <strong>St</strong>P vorzunehmen. Namentlich soll ohne<br />

klare Rechtsgr<strong>und</strong>lage mit einer untersuchungsrichterlichen Verfügung nicht ein die<br />

Parteirollen im Zivilprozess umkehrendes Gewahrsamsverhältnis begründet werden.<br />

Die Vorinstanz kann in der aufgr<strong>und</strong> der Verdachtslage als wahrscheinlich erscheinenden<br />

Anklageschrift (vgl. Art. 188 <strong>St</strong>P) Anträge zur Einziehung stellen. Dieses<br />

Recht steht auch den übrigen Parteien im <strong>St</strong>rafverfahren, namentlich den<br />

Geschädigten sowie auch gutgläubigen Dritterwerbern, zu. Das Gericht wird dann<br />

über die Anträge zu entscheiden haben.<br />

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