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St.gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2006

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GVP <strong>2006</strong> Nr. 14 <strong>Gerichts</strong>praxis<br />

<strong>und</strong> so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend beeinflusst hat. Von einer<br />

faktischen Geschäftsführung <strong>und</strong> damit materiellen Organschaft könnte insbesondere<br />

auch gesprochen werden, wenn der Beschwerdeführer dem formell eingesetzten<br />

Geschäftsführer Weisungen über die Geschäftsführung erteilt hätte, insbesondere<br />

auch Weisungen betreffend die Zahlung ausstehender Rechnungen.<br />

d) Im vorliegenden Fall bestehen gewisse Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer<br />

faktisch die Geschäftsführung besorgt haben könnte. So war er für<br />

die Buchführung zuständig. Zudem wurde er zu einem Zeitpunkt Mehrheitsgesellschafter,<br />

als erste Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft sich bereits abzeichneten.<br />

Da gleichzeitig auch ein neuer Geschäftsführer bestellt wurde, ist es möglich,<br />

dass der Beschwerdeführer angesichts der bestehenden finanziellen Schwierigkeiten<br />

dessen Geschäftsführung genauer überwacht <strong>und</strong> kontrolliert hat. Wie die Beschwerdegegnerin<br />

zu Recht festhält, kann hierbei nicht von Belang sein, ob der Beschwerdeführer<br />

die Gesellschaftsanteile treuhänderisch oder auf eigene Rechnung<br />

übernommen hat. Auch eine treuhänderische Übernahme kann eine Kontrolle <strong>und</strong><br />

Überwachung der Geschäftsführung beinhalten. Unter den gegebenen Umständen<br />

kann eine faktische Geschäftsführung des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen<br />

werden. Um eine Schadenersatzpflicht des Beschwerdeführers für nicht bezahlte<br />

AHV/IV/EO <strong>und</strong> ALV-Beiträge zu begründen, muss die faktische Geschäftsführung<br />

jedoch mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen<br />

werden. Zu Unrecht hat die Beschwerdegegnerin hier auf weitere Abklärungen verzichtet<br />

<strong>und</strong> ist allein aufgr<strong>und</strong> des Handelsregistereintrags des Beschwerdeführers<br />

als Mehrheitsgesellschafter von einer faktischen Organstellung ausgegangen. Sie<br />

wird daher noch abzuklären haben, ob der Beschwerdeführer selbst die Geschäftsführung<br />

besorgt hat oder den Geschäftsführer überwacht <strong>und</strong> diesem effektiv auch<br />

Weisungen bezüglich der Bezahlung offener Rechnungen erteilt hat. Hiefür kann die<br />

Beschwerdegegnerin den im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer befragen<br />

<strong>und</strong> weitere Unterlagen wie die <strong>St</strong>atuten der Gesellschaft (bei den Vorakten<br />

befinden sich lediglich die am 29. Oktober 2004 neu beurk<strong>und</strong>eten <strong>St</strong>atuten), den<br />

Treuhandvertrag des Beschwerdeführers sowie den Arbeitsvertrag des Geschäftsführers<br />

beiziehen. Sollte sich aufgr<strong>und</strong> dieser Abklärungen eine faktische Geschäftsführung<br />

des Beschwerdeführers bestätigen, wäre im Übrigen die Frage, ab wann der<br />

Beschwerdeführer Mehrheitsgesellschafter gewesen ist, von untergeordneter<br />

Bedeutung. Gemäss Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung besteht – vorbehältlich einer die<br />

Kausalität ausschliessenden Zahlungsunfähigkeit der Unternehmung – kein Gr<strong>und</strong>,<br />

für die Schadenersatzpflicht zwischen Beitragszahlungen, die bei Eintritt als (faktisches)<br />

Organ bereits ausstehend waren, <strong>und</strong> solchen, die erst während der Tätigkeit<br />

fällig wurden, zu unterscheiden (vgl. Thomas Nussbaumer, Das Schadenersatzverfahren<br />

nach dem Art. 52 AHVG in: Schaffhauser/Kieser, Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht<br />

der AHV, <strong>St</strong>.Gallen 1998, S. 107 mit Hinweisen).<br />

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