27.04.2014 Aufrufe

5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg

5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg

5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Prof. Dr. Martini Stellungnahme ‚Zeitliche Obergrenze für einen Vorteilsausgleich bei Anschlussbeiträgen"<br />

schutz kommt es vielmehr darauf an, ob er auf der Grundlage der geltenden Rechtslage noch<br />

mit einer Heranziehung zu einem Beitrag rechnen musste. Sofern das geltende Recht die<br />

rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung für einen Zeitpunkt vorschreibt, der länger zurückliegt<br />

als die Festsetzungsfrist von vier Jahren, ist das nicht der Fall.<br />

Bezieht man in § 8 Abs. 7 S. 2 n.F. BbgKAG — wie von den meisten Norminterpreten vorgeschlagen<br />

— auch diejenigen Sachverhalte mit ein, bei denen auf der Grundlage der alten Fassung<br />

Festsetzungsverjährung eingetreten wäre, 34 gerät das in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen<br />

Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, den § 8 Abs. 7 S. 2 a. F. —<br />

jedenfalls in verfassungskonformer Auslegung — sicherstellen wollte. Denn ein bis dahin verfassungsgemäßer<br />

(weil dem Gebot der Rechtssicherheit genügender) Rechtszustand wandelte<br />

sich dann (durch das nicht rückwirkende Ingangsetzen der Festsetzungsfrist zum ersten<br />

Satzungsversuch) in einen verfassungswidrigen Zustand um, der den Bürger einer verfassungswidrigen<br />

Rechtsunsicherheit aussetzt. Eine solche Interpretation ist einer Norm bei<br />

mehreren denkbaren Auslegungsvarianten grundsätzlich nicht zu unterlegen. § 8 Abs. 7 S. 2<br />

n.F. BbgKAG gibt in seinem Wortlaut nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass er auch solche Fälle<br />

erfassen möchte, in denen eine Geltendmachung der Forderung auf der Grundlage der Vorläuferfassung<br />

(in dem Moment, in dem eine erste wirksame Satzung in Kraft tritt) nicht mehr<br />

möglich gewesen wäre. Die Vorschrift ist interpretationsoffen und insoweit einer verfassungskonformen<br />

Auslegung grundsätzlich zugänglich. Gute Argumente sprechen dafür, dass<br />

sie diejenigen Konstellationen nicht erfassen darf, in denen auf der Grundlage der alten Regelung<br />

eine Durchsetzung der Forderung nicht mehr möglich wäre. Zulässig ist eine solche<br />

verfassungskonforme Auslegung aber nur, soweit die Interpretation dadurch nicht »in Widerspruch<br />

zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers« tritt. 35 Dafür gibt es<br />

durchaus Anhaltspunkte. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an.<br />

Denn dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich nicht vollständig versagt, in nicht vollständig<br />

abgeschlossene Sachverhalte (wie die vorliegenden) durch (heutiges) Gesetz einzugreifen.<br />

Der Gedanke der Belastungsgleichheit und -vorhersehbarkeit verleiht dem Bürger<br />

keinen absoluten Schutz des Inhalts, dass dem Gesetzgeber jede spätere Änderung verwehrt<br />

ist. Dieser muss für eine Änderung aber besondere Gründe vorbringen können, die dem verfassungsrechtlichen<br />

Gewicht der für den Vertrauensschutz geltenden Gründe angemessen<br />

Rechnung tragen. Streiten sowohl der Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit und<br />

-vorhersehbarkeit als auch des Vertrauensschutzes (in Gestalt des Rückwirkungsverbots) im<br />

Verbund dafür, dass eine bestimmte Personengruppe nicht mehr zur Zahlung von Beiträgen<br />

herangezogen werden kann, ergibt sich daraus ein verfassungsrechtliches Schwellengewicht,<br />

das nicht leicht überwindbar ist. In denjenigen Fällen, in denen auf der Grundlage des § 8<br />

Abs. 7 S. 2 a. F. BbgKAG eine Abgabenerhebung nicht mehr möglich wäre, lassen sich für eine<br />

heutige Heranziehung nicht ohne Weiteres hinreichende verfassungsrechtliche Gründe für<br />

34 In Sachverhaltskonstellationen, für die diese Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, weil eine<br />

wirksame Satzung bestanden hatte, können Abgaben nicht mehr erhoben werden. In diesen Fällen liegt ein Fall<br />

der echten Rückwirkung vor, der regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig ist.<br />

35 BVerfGE 112, 164 (183). Ist eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung möglich, dann kommt es<br />

nicht darauf an, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers die weitergehende, mit dem Grundgesetz nicht zu<br />

vereinbarende Auslegung eher entsprochen hätte. BVerfG, NJW 1982, 1375 (1378).<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!