5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg
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Prof. Dr. Martini Stellungnahme ‚Zeitliche Obergrenze für einen Vorteilsausgleich bei Anschlussbeiträgen"<br />
schutz kommt es vielmehr darauf an, ob er auf der Grundlage der geltenden Rechtslage noch<br />
mit einer Heranziehung zu einem Beitrag rechnen musste. Sofern das geltende Recht die<br />
rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung für einen Zeitpunkt vorschreibt, der länger zurückliegt<br />
als die Festsetzungsfrist von vier Jahren, ist das nicht der Fall.<br />
Bezieht man in § 8 Abs. 7 S. 2 n.F. BbgKAG — wie von den meisten Norminterpreten vorgeschlagen<br />
— auch diejenigen Sachverhalte mit ein, bei denen auf der Grundlage der alten Fassung<br />
Festsetzungsverjährung eingetreten wäre, 34 gerät das in Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen<br />
Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, den § 8 Abs. 7 S. 2 a. F. —<br />
jedenfalls in verfassungskonformer Auslegung — sicherstellen wollte. Denn ein bis dahin verfassungsgemäßer<br />
(weil dem Gebot der Rechtssicherheit genügender) Rechtszustand wandelte<br />
sich dann (durch das nicht rückwirkende Ingangsetzen der Festsetzungsfrist zum ersten<br />
Satzungsversuch) in einen verfassungswidrigen Zustand um, der den Bürger einer verfassungswidrigen<br />
Rechtsunsicherheit aussetzt. Eine solche Interpretation ist einer Norm bei<br />
mehreren denkbaren Auslegungsvarianten grundsätzlich nicht zu unterlegen. § 8 Abs. 7 S. 2<br />
n.F. BbgKAG gibt in seinem Wortlaut nicht zweifelsfrei zu erkennen, dass er auch solche Fälle<br />
erfassen möchte, in denen eine Geltendmachung der Forderung auf der Grundlage der Vorläuferfassung<br />
(in dem Moment, in dem eine erste wirksame Satzung in Kraft tritt) nicht mehr<br />
möglich gewesen wäre. Die Vorschrift ist interpretationsoffen und insoweit einer verfassungskonformen<br />
Auslegung grundsätzlich zugänglich. Gute Argumente sprechen dafür, dass<br />
sie diejenigen Konstellationen nicht erfassen darf, in denen auf der Grundlage der alten Regelung<br />
eine Durchsetzung der Forderung nicht mehr möglich wäre. Zulässig ist eine solche<br />
verfassungskonforme Auslegung aber nur, soweit die Interpretation dadurch nicht »in Widerspruch<br />
zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers« tritt. 35 Dafür gibt es<br />
durchaus Anhaltspunkte. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an.<br />
Denn dem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich nicht vollständig versagt, in nicht vollständig<br />
abgeschlossene Sachverhalte (wie die vorliegenden) durch (heutiges) Gesetz einzugreifen.<br />
Der Gedanke der Belastungsgleichheit und -vorhersehbarkeit verleiht dem Bürger<br />
keinen absoluten Schutz des Inhalts, dass dem Gesetzgeber jede spätere Änderung verwehrt<br />
ist. Dieser muss für eine Änderung aber besondere Gründe vorbringen können, die dem verfassungsrechtlichen<br />
Gewicht der für den Vertrauensschutz geltenden Gründe angemessen<br />
Rechnung tragen. Streiten sowohl der Gesichtspunkt der Belastungsgleichheit und<br />
-vorhersehbarkeit als auch des Vertrauensschutzes (in Gestalt des Rückwirkungsverbots) im<br />
Verbund dafür, dass eine bestimmte Personengruppe nicht mehr zur Zahlung von Beiträgen<br />
herangezogen werden kann, ergibt sich daraus ein verfassungsrechtliches Schwellengewicht,<br />
das nicht leicht überwindbar ist. In denjenigen Fällen, in denen auf der Grundlage des § 8<br />
Abs. 7 S. 2 a. F. BbgKAG eine Abgabenerhebung nicht mehr möglich wäre, lassen sich für eine<br />
heutige Heranziehung nicht ohne Weiteres hinreichende verfassungsrechtliche Gründe für<br />
34 In Sachverhaltskonstellationen, für die diese Festsetzungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war, weil eine<br />
wirksame Satzung bestanden hatte, können Abgaben nicht mehr erhoben werden. In diesen Fällen liegt ein Fall<br />
der echten Rückwirkung vor, der regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig ist.<br />
35 BVerfGE 112, 164 (183). Ist eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung möglich, dann kommt es<br />
nicht darauf an, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers die weitergehende, mit dem Grundgesetz nicht zu<br />
vereinbarende Auslegung eher entsprochen hätte. BVerfG, NJW 1982, 1375 (1378).<br />
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