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5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg

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Prof. Dr. Martini - Stellungnahme ‚Zeitliche Obergrenze für einen Vorteilsausgleich bei Anschlussbeiträgen"<br />

lang keiner ausdrücklichen Höchstfrist unterworfen sind. Das betrifft insbesondere den Rückforderungsanspruch"<br />

nach § 1 Abs. 1 BbgVwVfG I. V. m. § 49a Abs. 1 BVwVfG. Wie im Falle des brandenburgischen KAG<br />

hängt die Geltendmachung des Anspruchs hier von einem Akt der Behörde, nämlich der Festsetzung einer Zahlungsverpflichtung<br />

auf der Grundlage einer rückwirkenden Aufhebung eines vorangegangenen begünstigenden<br />

Verwaltungsaktes, ab. Zwischen der Gewährung des staatlichen Vorteils und der Forderung nach einem Ausgleich<br />

kann ein sehr langer Zeitraum liegen, der das Bedürfnis nach Rechtssicherheit auslöst. 45<br />

Das BVerwG hat sich in seiner Rechtsprechung mit diesen Konstellationen in der Vergangenheit bereits auseinandergesetzt.<br />

Es sieht den Rückforderungsanspruch" einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterworfen. Das<br />

Gesetz formuliert diese nicht ausdrücklich. Das BVerwG entnimmt diese Frist einem allgemeinen (auch nach<br />

Inkrafttreten der Schuldrechtsreform fortgeltenden) Rechtsgedanken. 47 Dieser allgemeine Rechtsgedanke, den<br />

das BVerwG für das öffentliche Recht entwickelt hat, beansprucht grundsätzlich auch für die Verjährung abgabenrechtlicher<br />

Ansprüche Geltung. Das BVerfG verlangt dem Gesetzgeber aber eine klare normative Entscheidung<br />

ab. Soweit im Rahmen des §§ 49a Abs. 2 VwVfG Rechtssicherheit nicht durch andere Faktoren sichergestellt<br />

ist, ist er womöglich ebenso dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit unterworfen. Denn der Gesetzgeber<br />

selbst ist danach aufgerufen, eine klare, hinreichend konkrete Frist zu setzen: »Der Grundsatz der Rechtssicherheit<br />

verbietet es dem Gesetzgeber, (...) ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe<br />

eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.« 48<br />

6. Wie können diese Änderungen ausgestaltet werden?<br />

7. Welche rechtlichen und tatsächlichen Folgen ziehen die in Betracht kommenden<br />

Änderungsmöglichkeiten nach sich?<br />

Für die beiden virulenten Problemfälle (vgl. oben 3.) muss der Gesetzgeber sicherstellen,<br />

dass die Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.<br />

Der Empfänger des Vorteils muss »in zumutbarer Zeit darüber Klarheit gewinnen können, ob<br />

und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss«. 49 Dem<br />

44 Für die Befugnis zur Rücknahme selbst sehen die meisten Autoren in den gesetzlichen Rücknahmeregelungen des § 48<br />

Abs. 2 und 4 VwVfG ein differenziertes und abgewogenes Vertrauensschutzkonzept, das den Faktor Zeitablauf in hinreichend<br />

rechtssicherer Weise rechtlich umsetzt. Vgl. BeckRS 2009, 41534; Erfmeyer, VR 1999, 48 (51 f.). Für den Bereich des<br />

Sozialrechts ist das BSG demgegenüber zu dem Ergebnis gelangt, dass ein rechtswidriger Sozialleistungsbescheid mit Dauerwirkung<br />

30 Jahre nach seinem Erlass selbst dann nicht mehr mit Rückwirkung zurückgenommen kann, wenn er durch arglistige<br />

Täuschung erwirkt worden ist (BSGE 72, 139 [145<br />

45 Für das Sozialrecht enthält § 50 Abs. 4 SGB X zwar eine Verjährungsfrist von 4 Jahren. Sie beginnt nach Ablauf des Kalenderjahres,<br />

in dem der Rückforderungsbescheid unanfechtbar geworden ist, Auch sie schließt es aber nicht aus, dass zwischen<br />

der Gewährung und der Rückforderung des Vorteils eine zeitlich nicht bestimmbare, für den Bürger unsichere Zeitspanne<br />

verstreichen kann. Um dem Gedanken der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen, müsste der Gesetzgeber das Rücknahmerecht<br />

der Verwaltung selbst einer Verjährung unterwerfen. Anderenfalls hätte die Verwaltung die Möglichkeit und<br />

einen Anreiz, die Verjährung dadurch beliebig nach hinten zu schieben, dass sie nach der Rücknahme den Festsetzungsbescheid<br />

für die Rückforderung zeitlich aufschiebt. In diesem Sinne kritisch auch Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen<br />

Recht, 5. 375 f.<br />

48 Für den Zinsanspruch nach § 49 Abs. 2 VwVfG gilt etwas anderes. Die Verwaltungsgerichte wenden auf diesen Fall die<br />

Dreijahresfrist des § 195 BGB n.F. analog an. BVerwG, NVwZ 2011, 949 (954, Rn. 50); OVG Sachsen, NVwZ-RR 2013, 82; HessVGH,<br />

BeckRS 2012, 46951; OVG Thüringen, BeckRS 2011, 53681,<br />

47 BVerwG, NVwZ 2011, 949 ff.<br />

48 BVerfG, Beschluss vom 5.3.2013, Rn. 46. Daraus ergeben sich zwei mögliche Interpretationswege: Entweder ist mithin<br />

dem BVerfG der allgemeine Rechtsgedanke als dem Rechtsstaatsprinzip genügender Fristrahmen nicht hinreichend präzise<br />

und ausreichend, um Rechtssicherheit herzustellen (dann ist konsequenterweise auch § 49a VwVfG dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit<br />

ausgesetzt) oder es hält für den konkreten Fall des Abgabenrechts eine 30-jährige Verjährungsfrist für verfassungsrechtlich<br />

unzureichend.<br />

49 BVerfG, Beschl. v. 5.3.2013, Rn. 50.<br />

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