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5/43-2 - Landtag Brandenburg - Land Brandenburg

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Prof. Dr. Martini - Stellungnahme „Zeitliche Obergrenze für einen Vorteilsausgleich bei Anschlussbeiträgen"<br />

Beitragsschuldner' und damit als verfassungsrechtlich bedenklich ein. Das deutet darauf<br />

hin, dass eine Verjährungsfrist, die mehrere Dekaden einer Lebensspanne erfasst, in einen<br />

verfassungsrechtlich bedenklichen Grenzbereich vorstößt, der die berechtigte Erwartung einer<br />

Herstellung von Rechtsklarheit innerhalb »geraumer Zeit« grundsätzlich nicht mehr erfüllt.<br />

Darauf kann auch der Umstand hindeuten, dass in dem bayerischen Fall, über den das<br />

BVerfG entschieden hat, zwischen dem rückwirkenden Inkrafttreten der wirksamen Satzung<br />

und dem Beitragsbescheid 9 Jahre (bzw. zwischen der Herstellung der Vorteilslage und dem<br />

Beitragsbescheid 12 Jahre) verstrichen waren. Umgekehrt gibt das BVerfG in seiner Entscheidung<br />

auch zu erkennen, dass es eine Verlängerung der Festsetzungsfrist über einen<br />

Zeitraum von vier Jahren hinaus auch in den Fällen als verfassungsrechtlich unproblematisch<br />

erachtet, in denen sich eine Satzung als unwirksam erweist. 96<br />

Maßgeblich für die Zumutbarkeit der Frist ist ihre Auswirkung auf die Selbstbestimmung<br />

über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Das Gebot der Rechtssicherheit steht<br />

insoweit in engem Zusammenhang mit der Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit<br />

des Art. 2 Abs. 1 GG. Auf sie hebt das BVerfG bei seiner Entscheidung auch ab. 97<br />

Eine Zeitdauer von insgesamt 30 Jahren für die Geltendmachung einer Beitragsforderung<br />

nach Entstehen der Vorteilslage bewegt sich an der Grenze einer zumutbaren Erwartungsspanne.<br />

30 Jahre bilden den Zeitraum einer Generation. Heutigem mobilen Lebenszuschnitt<br />

entspricht es, dass Häuser oft nicht mehr über einen Zeitraum von 30 Jahren von ein und<br />

derselben Familie genutzt werden.' Wer im Alter von 30 Jahren ein Haus erworben hat,<br />

muss unter Zugrundelegung einer 30-jährigen Frist bis zur Geltendmachung des Beitragsanspruchs<br />

während nahezu seines gesamten Erwerbslebens mit einer Beitragserhebung rechnen.<br />

Dem berechtigten Bedürfnis des Bürgers nach Belastungsklarheit stehen neben den oben<br />

genannten Aspekten vor allem das Interesse der Rechtsgemeinschaft an Abgabengerechtigkeit<br />

und Belastungsgleichheit gegenüber, insbesondere das nachvollziehbare Verlangen der<br />

anderen Beitragsschuldner, die Lasten der Finanzierung nicht anstelle der nicht veranlagten<br />

Beitragsschuldner schultern müssen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Aufgabenträger<br />

(nach der ab dem 1.2.2004 geltenden Rechtslage) davon ausgehen konnten, dass sie<br />

Beitragsschuldner - auch Altanschließer - noch lange Zeit nach Eintritt einer Vorteilslage in<br />

Anspruch nehmen, insbesondere unwirksame Satzungen durch Inkraftsetzen einer wirksamen<br />

Satzung heilen können, ohne den Beitragsanspruch zu verlieren. Es erweist sich als<br />

nicht völlig unangemessener Interessenausgleich, wenn der Gesetzgeber den kommunalen<br />

Aufgabenträgern die Möglichkeit eröffnet, nach dem für die bisherige Rechtspraxis und<br />

Rechtsprechung überraschenden Urteil des BVerfG noch offene Beitragsforderungen binnen<br />

knapper Frist durchzusetzen, die - wie sie der Gesetzesentwurf des Innenministeriums vorsieht<br />

- auch heute noch eine Geltendmachung der Forderungen möglich macht, und nach<br />

99 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.3.2013, Rn. 40: »Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich (...) in verfassungsrechtlich nicht mehr<br />

hinnehmbarer Weise einseitig zulasten der Beitragsschuldner entschieden.«<br />

96<br />

BVerfG, Beschl. v. 5.3.2013, Rn. 50.<br />

97 BVerfG, Beschl. v. 5.3.2013, Rn. 40 f.<br />

98 Vgl. dazu und zu den rechtlichen Konsequenzen bereits Kämmerer/Martini, BauR 2007, 1337 (1346).<br />

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