Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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100 KAPITEL 5. UNTERWERFUNG DER LATINER UND KAMPANER<br />
Jugend unter selbstgewählten Condottieren massenweise namentlich nach Sizilien.<br />
Wie tief diese Landknechtfahrten in die Geschicke Italiens eingriffen, wird später<br />
noch darzustellen sein; für die kampanische Weise sind sie ebenso bezeichnend<br />
wie die Fechterspiele, die gleichfalls in Capua zwar nicht ihre Entstehung, aber ihre<br />
Ausbildung empfingen. Hier traten sogar während des Gastmahls Fechterpaare<br />
auf und ward deren Zahl je nach dem Rang der geladenen Gäste abgemessen. Diese<br />
Entartung der bedeutendsten samnitischen Stadt, die wohl ohne Zweifel auch<br />
mit dem hier noch nachwirkenden etruskischen Wesen eng zusammenhängt, mußte<br />
für die ganze Nation verhängnisvoll werden; wenn auch der kampanische Adel<br />
es verstand, mit dem tiefsten Sittenverfall ritterliche Tapferkeit und hohe Geistesbildung<br />
zu verbinden, so konnte er doch für seine Nation nimmermehr werden,<br />
was die römische Nobilität für die latinische war. Ähnlich wie auf die Kampaner,<br />
wenn auch in minderer Stärke, wirkte der hellenische Einfluß auf die Lucaner und<br />
Brettier. Die Gräberfunde in all diesen Gegenden beweisen, wie die griechische<br />
Kunst daselbst mit barbarischem Luxus gepflegt ward; der reiche Gold- und Bernsteinschmuck,<br />
das prachtvolle gemalte Geschirr, wie wir sie jetzt den Häusern der<br />
Toten entheben, lassen ahnen, wie weit man hier schon sich entfernt hatte von der<br />
alten Sitte der Väter. Andere Spuren bewahrt die Schrift; die altnationale aus dem<br />
Norden mitgebrachte ward von den Lucanern und Brettiern aufgegeben und mit der<br />
griechischen vertauscht, während in Kampanien das nationale Alphabet und wohl<br />
auch die Sprache unter dem bildenden Einfluß der griechischen sich selbständig<br />
entwickelte zu größerer Klarheit und Feinheit. Es begegnen sogar einzelne Spuren<br />
des Einflusses griechischer Philosophie.<br />
Nur das eigentliche Samnitenland blieb unberührt von diesen Neuerungen, die,<br />
so schön und natürlich sie teilweise sein mochten, doch mächtig dazu beitrugen,<br />
das von Haus aus schon lose Band der nationalen Einheit immer mehr zu lockern.<br />
Durch den Einfluß des hellenischen Wesens kam ein tiefer Riß in den samnitischen<br />
Stamm. Die gesitteten “Philhellenen” Kampaniens gewöhnten sich, gleich den Hellenen<br />
selbst, vor den rauheren Stämmen der Berge zu zittern, die ihrerseits nicht<br />
aufhörten, in Kampanien einzudringen und die entarteten älteren Ansiedler zu beunruhigen.<br />
Rom war ein geschlossener Staat, der über die Kraft von ganz Latium<br />
verfügte; die Untertanen mochten murren, aber sie gehorchten. Der samnitische<br />
Stamm war zerfahren und zersplittert, und die Eidgenossenschaft im eigentlichen<br />
Samnium hatte sich zwar die Sitten und die Tapferkeit der Väter ungeschmälert<br />
bewahrt, war aber auch darüber mit den übrigen samnitischen Völker- und Bürgerschaften<br />
völlig zerfallen.<br />
In der Tat war es dieser Zwist zwischen den Samniten der Ebene und den Samniten<br />
der Gebirge, der die Römer über den Liris führte. Die Sidiciner in Teanum,<br />
die Kampaner in Capua suchten gegen die eigenen Landsleute, die mit immer neuen<br />
Schwärmen ihr Gebiet brandschatzten und darin sich festzusetzen drohten, Hil-