Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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panischen Adel einen privilegierten Gerichtsstand, gesonderte Versammlungsplätze,<br />
überhaupt in jeder Hinsicht eine Sonderstellung, ja man wies ihm sogar nicht<br />
unbeträchtliche Pensionen – sechzehnhundert je von jährlich 450 Stateren (etwa<br />
200 Taler) – auf die kampanische Gemeindekasse an. Diese kampanischen Ritter<br />
waren es, deren Nichtbeteiligung an dem großen latinisch-kampanischen Aufstand<br />
414 (340) zu dessen Scheitern wesentlich beitrug und deren tapfere Schwerter im<br />
Jahre 459 (295) bei Sentinum für die Römer entschieden; wogegen das kampanische<br />
Fußvolk in Rhegion die erste Truppe war, die im Pyrrhischen Kriege von Rom<br />
abfiel. Einen anderen merkwürdigen Beleg für die römische Praxis: die ständischen<br />
Zwistigkeiten innerhalb der abhängigen Gemeinden durch Begünstigung der Aristokratie<br />
für das römische Interesse auszubeuten, gibt die Behandlung, die Volsinii<br />
im Jahre 489 (265) widerfuhr. Es müssen dort, ähnlich wie in Rom, die Alt- und<br />
Neubürger sich gegenübergestanden und die letzteren auf gesetzlichem Wege die<br />
politische Gleichberechtigung erlangt haben. Infolge dessen wandten die Altbürger<br />
von Volsinii sich an den römischen Senat mit dem Gesuch um Wiederherstellung<br />
der alten Verfassung; was die in der Stadt herrschende Partei begreiflicherweise<br />
als Landesverrat betrachtete und die Bittsteller dafür zur gesetzlichen Strafe zog.<br />
Der römische Senat indes nahm Partei für die Altbürger und ließ, da die Stadt<br />
sich nicht gutwillig fügte, durch militärische Exekution nicht bloß die in anerkannter<br />
Wirksamkeit bestehende Gemeindeverfassung von Volsinii vernichten, sondern<br />
auch durch die Schleifung der alten Hauptstadt Etruriens das Herrentum Roms den<br />
Italikern in einem Exempel von erschreckender Deutlichkeit vor Augen legen.<br />
Aber der römische Senat war weise genug, nicht zu übersehen, daß das einzige<br />
Mittel, der Gewaltherrschaft Dauer zu geben, die eigene Mäßigung der Gewalthaber<br />
ist. Darum ward den abhängigen Gemeinden die Autonomie gelassen oder<br />
verliehen, die einen Schatten von Selbständigkeit, einen eigenen Anteil an Roms<br />
militärischen und politischen Erfolgen und vor allem eine freie Kommunalverfassung<br />
in sich schloß – so weit die italische Eidgenossenschaft reichte, gab es keine<br />
Helotengemeinde. Darum verzichtete Rom von vornherein mit einer in der <strong>Geschichte</strong><br />
vielleicht beispiellosen Klarheit und Hochherzigkeit auf das gefährlichste<br />
aller Regierungsrechte, auf das Recht, die Untertanen zu besteuern. Höchstens den<br />
abhängigen keltischen Gauen mögen Tribute auferlegt worden sein; soweit die italische<br />
Eidgenossenschaft reichte, gab es keine zinspflichtige Gemeinde. Darum<br />
endlich ward die Wehrpflicht zwar wohl auf die Untertanen mit, aber doch keineswegs<br />
von der herrschenden Bürgerschaft abgewälzt; vielmehr wurde wahrscheinlich<br />
die letztere nach Verhältnis bei weitem stärker als die Bundesgenossenschaft<br />
und in dieser wahrscheinlich wiederum die Gesamtheit der Latiner bei weitem stärker<br />
in Anspruch genommen als die nichtlatinischen Bundesgemeinden; so daß es<br />
eine gewisse Billigkeit für sich hatte, wenn auch von dem Kriegsgewinn zunächst<br />
Rom und nach ihm die Latinerschaft den besten Teil für sich nahmen.