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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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land, Sizilien gebildet hätten, das die beiden italischen Meere beherrscht und Rom<br />

wie Karthago in die Reihe der barbarischen Grenzvölker des hellenistischen Staatensystems,<br />

der Kelten und Inder gedrängt haben würde – dieser Gedanke ist wohl<br />

groß und kühn wie derjenige, der den makedonischen König über den Hellespont<br />

führte. Aber nicht bloß der verschiedene Ausgang unterscheidet den östlichen und<br />

den westlichen Heerzug. Alexander konnte mit seiner makedonischen Armee, in<br />

der namentlich der Stab vorzüglich war, dem Großkönig vollkommen die Spitze<br />

bieten; aber der König von Epeiros, das neben Makedonien stand etwa wie Hessen<br />

neben Preußen, erhielt eine nennenswerte Armee nur durch Söldner und durch<br />

Bündnisse, die auf zufälligen politischen Kombinationen beruhten. Alexander trat<br />

im Perserreich auf als Eroberer, Pyrrhos in Italien als Feldherr einer Koalition von<br />

Sekundärstaaten; Alexander hinterließ sein Erbland vollkommen gesichert durch<br />

die unbedingte Untertänigkeit Griechenlands und das starke, unter Antipater zurückbleibende<br />

Heer, Pyrrhos bürgte für die Integrität seines eigenen Gebietes nichts<br />

als das Wort eines zweifelhaften Nachbarn. Für beide Eroberer hörte, wenn ihre<br />

Pläne gelangen, die Heimat notwendig auf, der Schwerpunkt des neuen Reiches zu<br />

sein; allein eher noch war es ausführbar, den Sitz der makedonischen Militärmonarchie<br />

nach Babylon zu verlegen als in Tarent oder Syrakus eine Soldatendynastie<br />

zu gründen. Die Demokratie der griechischen Republiken, so sehr sie eine ewige<br />

Agonie war, ließ sich in die straffen Formen des Militärstaats nun einmal nicht zurückzwingen;<br />

Philipp wußte wohl, warum er die griechischen Republiken seinem<br />

Reich nicht einverleibte. Im Orient war ein nationaler Widerstand nicht zu erwarten;<br />

herrschende und dienende Stämme lebten dort seit langem nebeneinander und<br />

der Wechsel des Despoten war der Masse der Bevölkerung gleichgültig oder gar erwünscht.<br />

Im Okzident konnten die Römer, die Samniten, die Karthager auch überwunden<br />

werden; aber kein Eroberer hätte es vermocht, die Italiker in ägyptische<br />

Fellahs zu verwandeln oder aus den römischen Bauern Zinspflichtige hellenischer<br />

Barone zu machen. Was man auch ins Auge faßt, die eigene Macht, die Bundesgenossen,<br />

die Kräfte der Gegner – überall erscheint der Plan des Makedoniers als<br />

eine ausführbare, der des Epeiroten als eine unmögliche Unternehmung; jener als<br />

die Vollziehung einer großen geschichtlichen Aufgabe, dieser als ein merkwürdiger<br />

Fehlgriff; jener als die Grundlegung zu einem neuen Staatensystem und einer<br />

neuen Phase der Zivilisation, dieser als eine geschichtliche Episode. Alexanders<br />

Werk überlebte ihn, obwohl der Schöpfer zur Unzeit starb; Pyrrhos sah mit eigenen<br />

Augen das Scheitern aller seiner Pläne, ehe der Tod ihn abrief. Sie beide waren<br />

kühne und große Naturen, aber Pyrrhos nur der erste Feldherr, Alexander vor allem<br />

der genialste Staatsmann seiner Zeit; und wenn es die Einsicht in das Mögliche und<br />

Unmögliche ist, die den Helden vom Abenteurer scheidet, so muß Pyrrhos diesen<br />

zugezählt und darf seinem größeren Verwandten sowenig zur Seite gestellt werden<br />

wie etwa der Connetable von Bourbon Ludwig dem Elften.

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