Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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148 KAPITEL 7. KÖNIG PYRRHOS GEGEN ROM<br />
ten inneren Politik. Er regierte Sizilien wie er Ptolemaeos hatte in Ägypten herrschen<br />
sehen; er respektierte die Gemeindeverfassungen nicht, setzte seine Vertrauten<br />
zu Amtleuten über die Städte wann und auf so lange es ihm gefiel, gab anstatt<br />
der einheimischen Geschworenen seine Hofleute zu Richtern, sprach Konfiskationen,<br />
Verbannungen, Todesurteile nach Gutdünken aus und selbst über diejenigen,<br />
die seine Überkunft nach Sizilien am lebhaftesten betrieben hatten, legte Besatzungen<br />
in die Städte und beherrschte Sizilien nicht als der Führer des Nationalbundes,<br />
sondern als König. Mochte er dabei nach orientalisch-hellenistischen Begriffen<br />
sich ein guter und weiser Regent zu sein dünken und auch wirklich sein, so ertrugen<br />
doch die Griechen diese Verpflanzung des Diadochensystems nach Syrakus<br />
mit aller Ungeduld einer in langer Freiheitsagonie aller Zucht entwöhnten Nation;<br />
sehr bald dünkte das karthagische Joch dem törichten Volk erträglicher als das neue<br />
Soldatenregiment. Die bedeutendsten Städte knüpften mit den Karthagern, ja mit<br />
den Mamertinern Verbindungen an; ein starkes karthagisches Heer wagte wieder,<br />
sich auf der Insel zu zeigen und, überall von den Griechen unterstützt, machte es<br />
reißende Fortschritte. Zwar in der Schlacht, die Pyrrhos ihm lieferte, war das Glück<br />
wie immer mit dem “Adler”; allein es hatte sich bei dieser Gelegenheit offenbart,<br />
wie die Stimmung auf der Insel war und was kommen konnte und mußte, wenn der<br />
König sich entfernte.<br />
Zu diesem ersten und wesentlichsten Fehler fügte Pyrrhos einen zweiten: er<br />
ging mit der Flotte statt nach Lilybäon nach Tarent. Augenscheinlich mußte er,<br />
eben bei der Gärung in den Gemütern der Sikelioten, vor allen Dingen erst von<br />
dieser Insel die Karthager ganz verdrängt und damit den Unzufriedenen den letzten<br />
Rückhalt abgeschnitten haben, ehe er nach Italien sich wenden durfte; hier war<br />
nichts zu versäumen, denn Tarent war ihm sicher genug und an den übrigen Bundesgenossen,<br />
nachdem sie einmal aufgegeben waren, jetzt wenig gelegen. Es ist<br />
begreiflich, daß sein Soldatensinn ihn trieb, den nicht sehr ehrenvollen Abzug vom<br />
Jahre 476 (278) durch eine glänzende Wiederkehr auszutilgen und daß ihm das<br />
Herz blutete, wenn er die Klagen der Lucaner und Samniten vernahm. Allein Aufgaben,<br />
wie sie Pyrrhos sich gestellt hatte, können nur gelöst werden von eisernen<br />
Naturen, die das Mitleid und selbst das Ehrgefühl zu beherrschen vermögen; und<br />
eine solche war Pyrrhos nicht.<br />
Die verhängnisvolle Einschiffung fand statt gegen das Ende des Jahres 478<br />
(276). Unterwegs hatte die neue syrakusanische Flotte mit der karthagischen ein<br />
heftiges Gefecht zu bestehen und büßte darin eine beträchtliche Anzahl Schiffe<br />
ein. Die Entfernung des Königs und die Kunde von diesem ersten Unfall genügten<br />
zum Sturz des sikeliotischen Reiches; auf sie hin weigerten alle Städte dem abwesenden<br />
König Geld und Truppen und der glänzende Staat brach schneller noch<br />
als er entstanden war wiederum zusammen, teils weil der König selbst die Treue<br />
und Liebe, auf der jedes Gemeinwesen ruht, in den Herzen seiner Untertanen un-