Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
175<br />
Bürgerschaftswahl vergeben ward. Endlich blieb auch die alte, furchtbar strenge<br />
Kriegszucht unverändert. Nach wie vor war es dem Feldherrn gestattet, jedem in<br />
seinem Lager dienenden Mann den Kopf vor die Füße zu legen und den Stabsoffizier<br />
so gut wie den gemeinen Soldaten mit Ruten auszuhauen; auch wurden<br />
dergleichen Strafen nicht bloß wegen gemeiner Verbrechen erkannt, sondern ebenso,<br />
wenn sich ein Offizier gestattet hatte, von dem erteilten Befehle abzuweichen,<br />
oder wenn eine Abteilung sich hatte überrumpeln lassen oder vom Schlachtfeld<br />
gewichen war. Dagegen bedingt die neue Heerordnung eine weit ernstere und längere<br />
militärische Schule als die bisherige phalangitische, worin das Schwergewicht<br />
der Masse auch die Ungeübten zusammenhielt. Wenn dennoch kein eigener Soldatenstand<br />
sich entwickelte, sondern das Heer nach wie vor Bürgerheer blieb, so<br />
ward dies hauptsächlich dadurch erreicht, daß man die bisherige Gliederung der<br />
Soldaten nach dem Vermögen aufgab und sie nach dem Dienstalter ordnete. Der<br />
römische Rekrut trat jetzt ein unter die leichtbewaffneten, außerhalb der Linie besonders<br />
mit Steinschleudern fechtenden “Sprenkler” (rorarii) und avancierte aus<br />
diesem allmählich in das erste und weiter in das zweite Treffen, bis endlich die<br />
langgedienten und erfahrenen Soldaten in dem an Zahl schwächsten, aber in dem<br />
ganzen Heer Ton und Geist angebenden Triarierkorps sich zusammenfanden.<br />
Die Vortrefflichkeit dieser Kriegsordnung, welche die nächste Ursache der überlegenen<br />
politischen Stellung der römischen Gemeinde geworden ist, beruht wesentlich<br />
auf den drei großen militärischen Prinzipien der Reserve, der Verbindung<br />
des Nah- und Ferngefechts und der Verbindung von Offensive und Defensive. Das<br />
Reservesystem war schon in der älteren Verwendung der Reiterei angedeutet, hier<br />
aber durch die Gliederung des Heeres in drei Treffen und die Aufsparung der Veteranenkernschar<br />
für den letzten und entscheidenden Stoß vollständig entwickelt.<br />
Wenn die hellenische Phalanx den Nahkampf, die orientalischen mit Bogen und<br />
leichten Wurfspeeren bewaffneten Reitergeschwader den Fernkampf einseitig ausgebildet<br />
hatten, so wurde durch die römische Verbindung des schweren Wurfspießes<br />
mit dem Schwerte, wie mit Recht gesagt worden ist, ein ähnlicher Erfolg<br />
erreicht wie in der modernen Kriegführung durch die Einführung der Bajonettflinte;<br />
es arbeitete die Wurfspeersalve dem Schwertkampf genau in derselben Weise<br />
vor wie jetzt die Gewehrsalve dem Angriff mit dem Bajonett. Endlich das ausgebildete<br />
Lagersystem gestattete es den Römern, die Vorteile des Belagerungs- und des<br />
Offensivkrieges miteinander zu verbinden und die Schlacht je nach Umständen zu<br />
verweigern oder zu liefern, und im letzteren Fall sie unter den Lagerwällen gleichwie<br />
unter den Mauern einer Festung zu schlagen – der Römer, sagt ein römisches<br />
Sprichwort, siegt durch Stillsitzen.<br />
Daß diese neue Kriegsordnung im wesentlichen eine römische oder wenigstens<br />
italische Um- und Fortbildung der alten hellenischen Phalangentaktik ist, leuchtet<br />
ein; wenn gewisse Anfänge des Reservesystems und der Individualisierung der