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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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Bürgerschaftswahl vergeben ward. Endlich blieb auch die alte, furchtbar strenge<br />

Kriegszucht unverändert. Nach wie vor war es dem Feldherrn gestattet, jedem in<br />

seinem Lager dienenden Mann den Kopf vor die Füße zu legen und den Stabsoffizier<br />

so gut wie den gemeinen Soldaten mit Ruten auszuhauen; auch wurden<br />

dergleichen Strafen nicht bloß wegen gemeiner Verbrechen erkannt, sondern ebenso,<br />

wenn sich ein Offizier gestattet hatte, von dem erteilten Befehle abzuweichen,<br />

oder wenn eine Abteilung sich hatte überrumpeln lassen oder vom Schlachtfeld<br />

gewichen war. Dagegen bedingt die neue Heerordnung eine weit ernstere und längere<br />

militärische Schule als die bisherige phalangitische, worin das Schwergewicht<br />

der Masse auch die Ungeübten zusammenhielt. Wenn dennoch kein eigener Soldatenstand<br />

sich entwickelte, sondern das Heer nach wie vor Bürgerheer blieb, so<br />

ward dies hauptsächlich dadurch erreicht, daß man die bisherige Gliederung der<br />

Soldaten nach dem Vermögen aufgab und sie nach dem Dienstalter ordnete. Der<br />

römische Rekrut trat jetzt ein unter die leichtbewaffneten, außerhalb der Linie besonders<br />

mit Steinschleudern fechtenden “Sprenkler” (rorarii) und avancierte aus<br />

diesem allmählich in das erste und weiter in das zweite Treffen, bis endlich die<br />

langgedienten und erfahrenen Soldaten in dem an Zahl schwächsten, aber in dem<br />

ganzen Heer Ton und Geist angebenden Triarierkorps sich zusammenfanden.<br />

Die Vortrefflichkeit dieser Kriegsordnung, welche die nächste Ursache der überlegenen<br />

politischen Stellung der römischen Gemeinde geworden ist, beruht wesentlich<br />

auf den drei großen militärischen Prinzipien der Reserve, der Verbindung<br />

des Nah- und Ferngefechts und der Verbindung von Offensive und Defensive. Das<br />

Reservesystem war schon in der älteren Verwendung der Reiterei angedeutet, hier<br />

aber durch die Gliederung des Heeres in drei Treffen und die Aufsparung der Veteranenkernschar<br />

für den letzten und entscheidenden Stoß vollständig entwickelt.<br />

Wenn die hellenische Phalanx den Nahkampf, die orientalischen mit Bogen und<br />

leichten Wurfspeeren bewaffneten Reitergeschwader den Fernkampf einseitig ausgebildet<br />

hatten, so wurde durch die römische Verbindung des schweren Wurfspießes<br />

mit dem Schwerte, wie mit Recht gesagt worden ist, ein ähnlicher Erfolg<br />

erreicht wie in der modernen Kriegführung durch die Einführung der Bajonettflinte;<br />

es arbeitete die Wurfspeersalve dem Schwertkampf genau in derselben Weise<br />

vor wie jetzt die Gewehrsalve dem Angriff mit dem Bajonett. Endlich das ausgebildete<br />

Lagersystem gestattete es den Römern, die Vorteile des Belagerungs- und des<br />

Offensivkrieges miteinander zu verbinden und die Schlacht je nach Umständen zu<br />

verweigern oder zu liefern, und im letzteren Fall sie unter den Lagerwällen gleichwie<br />

unter den Mauern einer Festung zu schlagen – der Römer, sagt ein römisches<br />

Sprichwort, siegt durch Stillsitzen.<br />

Daß diese neue Kriegsordnung im wesentlichen eine römische oder wenigstens<br />

italische Um- und Fortbildung der alten hellenischen Phalangentaktik ist, leuchtet<br />

ein; wenn gewisse Anfänge des Reservesystems und der Individualisierung der

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