Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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Auch Italien blieb davon nicht unberührt. Die merkwürdigste Erscheinung in dieser<br />
Art bietet Apulien, das seit dem fünften Jahrhundert Roms allmählich seine barbarische<br />
Mundart ablegte und sich im stillen hellenisierte. Es erfolgte dies ähnlich<br />
wie in Makedonien und Epeiros nicht durch Kolonisierung, sondern durch Zivilisierung,<br />
die mit dem tarentinischen Landhandel Hand in Hand gegangen zu sein<br />
scheint – wenigstens spricht es für die letztere Annahme, daß die den Tarentinern<br />
befreundeten Landschaften der Poediculer und Daunier die Hellenisierung vollständiger<br />
durchführten als die Tarent näher wohnenden, aber beständig mit ihm<br />
hadernden Sallentiner, und daß die am frühesten gräzisierten Städte, zum Beispiel<br />
Arpi, nicht an der Küste gelegen waren. Daß auf Apulien das griechische Wesen<br />
stärkeren Einfluß übte als auf irgendeine andere italische Landschaft, erklärt sich<br />
teils aus seiner Lage, teils aus der geringen Entwicklung einer eigenen nationalen<br />
Bildung, teils wohl auch aus seiner dem griechischen Stamm minder fremd als die<br />
übrigen italischen gegenüberstehenden Nationalität. Indes ist schon früher darauf<br />
aufmerksam gemacht worden, daß auch die südlichen sabellischen Stämme, obwohl<br />
zunächst sie im Verein mit syrakusanischen Tyrannen das hellenische Wesen<br />
in Großgriechenland knickten und verdarben, doch zugleich durch die Berührung<br />
und Mischung mit den Griechen teils griechische Sprache neben der einheimischen<br />
annahmen, wie die Brettier und Nolaner, teils wenigstens griechische Schrift und<br />
griechische Sitte, wie die Lucaner und ein Teil der Kampaner. Etrurien zeigt gleichfalls<br />
die Ansätze einer verwandten Entwicklung in den bemerkenswerten dieser<br />
Epoche angehörenden Vasenfunden, in denen es mit Kampanien und Lucanien rivalisiert;<br />
und wenn Latium und Samnium dem Hellenismus fernergeblieben sind,<br />
so fehlt es doch auch hier nicht an Spuren des beginnenden und immer steigenden<br />
Einflusses griechischer Bildung. In allen Zweigen der römischen Entwicklung<br />
dieser Epoche, in Gesetzgebung und Münzwesen, in der Religion, in der Bildung<br />
der Stammsage stoßen wir auf griechische Spuren, und namentlich seit dem Anfang<br />
des fünften Jahrhunderts, das heißt seit der Eroberung Kampaniens, erscheint<br />
der griechische Einfluß auf das römische Wesen in raschem und stets zunehmendem<br />
Wachstum. In das vierte Jahrhundert fällt die Einrichtung der auch sprachlich<br />
merkwürdigen “graecostasis”, einer Tribüne auf dem römischen Markt für die vornehmen<br />
griechischen Fremden, zunächst die Massalioten. Im folgenden fangen die<br />
Jahrbücher an, vornehme Römer mit griechischen Beinamen, wie Philippos oder<br />
römisch Pilipus, Philon, Sophos, Hypsaeos aufzuweisen. Griechische Sitten dringen<br />
ein; so der nichtitalische Gebrauch, Inschriften zur Ehre des Toten auf dem<br />
Grabmal anzubringen, wovon die Grabschrift des Lucius Scipio, Konsul 456 (298),<br />
das älteste uns bekannte Beispiel ist; so die gleichfalls den Italikern fremde Weise,<br />
ohne Gemeindebeschluß an öffentlichen Orten den Vorfahren Ehrendenkmäler zu<br />
errichten, womit der große Neuerer Appius Claudius den Anfang machte, als er in<br />
dem neuen Tempel der Bellona Erzschilde mit den Bildern und den Elogien seiner