Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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fassung sie gewährte; aber die Änderung ist von wesentlicher Bedeutung für den<br />
Ständekampf geworden, ja vielleicht jener militärische Zweck für diese Einrichtung<br />
mehr der Vorwand als der Grund gewesen. Zu Offizierstellen konnte nach<br />
altem Recht jeder dienstpflichtige Bürger oder Insasse gelangen, und es ward also<br />
damit das höchste Amt, nachdem es vorübergehend schon im Dezemvirat den<br />
Plebejern geöffnet worden war, jetzt in umfassender Weise sämtlichen freigewordenen<br />
Bürgern gleichmäßig zugänglich gemacht. Die Frage liegt nahe, welches<br />
Interesse der Adel dabei haben konnte, da er einmal auf den Alleinbesitz des höchsten<br />
Amtes verzichten und in der Sache nachgeben mußte, den Plebejern den Titel<br />
zu versagen und das Konsulat ihnen in dieser wunderlichen Form zuzugestehen 2 .<br />
Einmal aber knüpften sich an die Bekleidung des höchsten Gemeindeamts mancherlei<br />
teils persönliche, teils erbliche Ehrenrechte: so galt die Ehre des Triumphs<br />
als rechtlich bedingt durch die Bekleidung des höchsten Gemeindeamts und wurde<br />
nie einem Offizier gegeben, der nicht dieses selbst verwaltet hatte; so stand es den<br />
Nachkommen eines kurulischen Beamten frei, das Bild eines solchen Ahnen im<br />
Familiensaal auf- und bei geeigneten Veranlassungen öffentlich zur Schau zu stellen,<br />
während dies für andere Vorfahren nicht statthaft war 3 . Es ist ebenso leicht zu<br />
erklären wie schwer zu rechtfertigen, daß der regierende Herrenstand weit eher das<br />
Regiment selbst als die daran geknüpften Ehrenrechte, namentlich die erblichen,<br />
sich entwinden ließ und darum, als es jenes mit den Plebejern teilen mußte, den<br />
tatsächlich höchsten Gemeindebeamten rechtlich nicht als Inhaber des kurulischen<br />
Sessels, sondern als einfachen Stabsoffizier hinstellte, dessen Auszeichnung eine<br />
rein persönliche war. Von größerer politischer Bedeutung aber als die Versagung<br />
des Ahnenrechts und der Ehre des Triumphs war es, daß die Ausschließung der im<br />
Senat sitzenden Plebejer von der Debatte notwendig für diejenigen von ihnen fiel,<br />
die als designierte oder gewesene Konsuln in die Reihe der vor den übrigen um<br />
ihr Gutachten zu fragenden Senatoren eintraten; insofern war es allerdings für den<br />
2 Die Verteidigung, daß der Adel an der Ausschließung der Plebejer aus religiöser Befangenheit<br />
festgehalten habe, verkennt den Grundcharakter der römischen Religion und trägt den modernen Gegensatz<br />
zwischen Kirche und Staat in das Altertum hinein. Die Zulassung des Nichtbürgers zu einer<br />
bürgerlich religiösen Verrichtung mußte freilich dem rechtgläubigen Römer als sündhaft erscheinen;<br />
aber nie hat auch der strengste Orthodoxe bezweifelt, daß durch die lediglich und allein vom Staat abhängige<br />
Zulassung in die bürgerliche Gemeinschaft auch die volle religiöse Gleichheit herbeigeführt<br />
werde. All jene Gewissensskrupel, deren Ehrlichkeit an sich nicht beanstandet werden soll, waren<br />
abgeschnitten, sowie man den Plebejern in Masse rechtzeitig das Patriziat zugestand. Nur das etwa<br />
kann man zur Entschuldigung des Adels geltend machen, daß er, nachdem er bei Abschaffung des<br />
Königtums den rechten Augenblick hierzu versäumt hatte, später selber nicht mehr imstande war,<br />
das Versäumte nachzuholen.<br />
3 Ob innerhalb des Patriziats die Unterscheidung dieser “kurulischen Häuser” von den übrigen<br />
Familien jemals von ernstlicher politischer Bedeutung gewesen ist, läßt sich weder mit Sicherheit<br />
verneinen noch mit Sicherheit bejahen, und ebensowenig wissen wir, ob es in dieser Epoche wirklich<br />
noch nicht kurulische Patrizierfamilien in einiger Anzahl gab.<br />
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