Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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echtlich, aber tatsächlich ein neuer Krieg begann (327 427). Sonst ward eine Verwaltungsfrage<br />
fast nur dann dem Volke vorgelegt, wenn die regierenden Behörden<br />
unter sich in Kollision gerieten und eine derselben die Sache an das Volk brachte<br />
– so, als den Führern der gemäßigten Partei unter dem Adel, Lucius Valerius und<br />
Marcus Horatius, im Jahre 305 (449) und dem ersten plebejischen Diktator Gaius<br />
Marcus Rutilus im Jahre 398 (356) vom Senat die verdienten Triumphe nicht zugestanden<br />
wurden; als die Konsuln des Jahres 459 (295) über ihre gegenseitige Kompetenz<br />
nicht untereinander sich einigen konnten; und als der Senat im Jahre 364<br />
(390) die Auslieferung eines pflichtvergessenen Gesandten an die Gallier beschloß<br />
und ein Konsulartribun deswegen an die Gemeinde sich wandte – es war dies der<br />
erste Fall, wo ein Senatsbeschluß vom Volke kassiert ward, und schwer hat ihn die<br />
Gemeinde gebüßt. Zuweilen gab auch die Regierung in schwierigen Fragen dem<br />
Volk die Entscheidung anheim: so zuerst, als Caere, nachdem ihm das Volk den<br />
Krieg erklärt hatte, ehe dieser wirklich begann, um Frieden bat (401 353); und später,<br />
als der Senat den demütig von den Samniten erbetenen Frieden ohne weiteres<br />
abzuschlagen Bedenken trug (436 318). Erst gegen das Ende dieser Periode finden<br />
wir ein bedeutend erweitertes Eingreifen der Distriktversammlung auch in Verwaltungsangelegenheiten,<br />
namentlich Befragung derselben bei Friedensschlüssen<br />
und Bündnissen; es ist wahrscheinlich, daß diese zurückgeht auf das Hortensische<br />
Gesetz von 467 (287).<br />
Indes trotz dieser Erweiterungen der Kompetenz der Bürgerversammlungen<br />
begann der praktische Einfluß derselben auf die Staatsangelegenheiten vielmehr,<br />
namentlich gegen das Ende dieser Epoche, zu schwinden. Vor allem die Ausdehnung<br />
der römischen Grenzen entzog der Urversammlung ihren richtigen Boden.<br />
Als Versammlung der Gemeindesässigen konnte sie früher recht wohl in genügender<br />
Vollzähligkeit sich zusammenfinden und recht wohl missen, was sie wollte,<br />
auch ohne zu diskutieren; aber die römische Bürgerschaft war jetzt schon weniger<br />
Gemeinde als Staat. Daß die zusammen Wohnenden auch miteinander stimmten,<br />
brachte allerdings in die römischen Komitien, wenigstens, wenn nach Quartieren<br />
gestimmt ward, einen gewissen inneren Zusammenhang und in die Abstimmung<br />
hier und da Energie und Selbständigkeit; in der Regel aber waren doch die Komitien<br />
in ihrer Zusammensetzung wie in ihrer Entscheidung teils von der Persönlichkeit<br />
des Vorsitzenden und vom Zufall abhängig, teils den in der Hauptstadt domizilierten<br />
Bürgern in die Hände gegeben. Es ist daher vollkommen erklärlich, daß die.<br />
Bürgerversammlungen, die in den beiden ersten Jahrhunderten. der Republik eine<br />
große und praktische Wichtigkeit haben, allmählich beginnen, ein reines Werkzeug<br />
in der Hand des vorsitzenden Beamten zu werden; freilich ein sehr gefährliches, da<br />
der zum Vorsitz berufenen Beamten so viele waren und jeder Beschluß der Gemeinde<br />
galt als der legale Ausdruck des Volkswillens in letzter Instanz. An der<br />
Erweiterung aber der verfassungsmäßigen Rechte der Bürgerschaft war insofern<br />
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