Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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162 KAPITEL 7. KÖNIG PYRRHOS GEGEN ROM<br />
der einzelnen Kategorien über Italien nur unvollkommen bekannt. Die bei diesem<br />
Bau zugrunde liegenden leitenden Gedanken liegen dagegen so offen vor, daß es<br />
kaum nötig ist, sie noch besonders zu entwickeln. Vor allem ward, wie gesagt, der<br />
unmittelbare Kreis der herrschenden Gemeinde teils durch Ansiedelung der Vollbürger,<br />
teils durch Verleihung des Passivbürgerrechts soweit ausgedehnt, wie es<br />
irgend möglich war, ohne die römische Gemeinde, die doch eine städtische war<br />
und bleiben sollte, vollständig zu dezentralisieren. Als das Inkorporationssystem<br />
bis an und vielleicht schon über seine natürlichen Grenzen ausgedehnt war, mußten<br />
die weiter hinzutretenden Gemeinden sich in ein Untertänigkeitsverhältnis fügen;<br />
denn die reine Hegemonie als dauerndes Verhältnis ist innerlich unmöglich.<br />
So stellte sich, nicht durch willkürliche Monopolisierung der Herrschaft, sondern<br />
durch das unvermeidliche Schwergewicht der Verhältnisse neben die Klasse der<br />
herrschenden Bürger die zweite der Untertanen. Unter den Mitteln der Herrschaft<br />
standen in erster Linie natürlich die Teilung der Beherrschten durch Sprengung<br />
der italischen Eidgenossenschaften und Einrichtung einer möglichst großen Zahl<br />
verhältnismäßig geringer Gemeinden, sowie die Abstufung des Druckes der Herrschaft<br />
nach den verschiedenen Kategorien der Untertanen. Wie Cato in seinem<br />
Hausregiment dahin sah, daß die Sklaven sich miteinander nicht allzu gut vertragen<br />
möchten, und absichtlich Zwistigkeiten und Parteiungen unter ihnen nährte,<br />
so hielt es die römische Gemeinde im großen; das Mittel war nicht schön, aber<br />
wirksam. Nur eine weitere Anwendung desselben Mittels war es, wenn in jeder abhängigen<br />
Gemeinde die Verfassung nach dem Muster der römischen umgewandelt<br />
und ein Regiment der wohlhabenden und angesehenen Familien eingesetzt ward,<br />
welches mit der Menge in einer natürlichen mehr oder minder lebhaften Opposition<br />
stand und durch seine materiellen und kommunalregimentlichen Interessen<br />
darauf angewiesen war, auf Rom sich zu stützen. Das merkwürdigste Beispiel in<br />
dieser Beziehung gewährt die Behandlung von Capua, welches als die einzige italische<br />
Stadt, die vielleicht mit Rom zu rivalisieren vermochte, von Haus aus mit<br />
argwöhnischer Vorsicht behandelt worden zu sein scheint. Man verlieh dem kam-<br />
Erst mit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts beginnen die großen Gebietserwerbungen,<br />
wodurch die Bürgerrolle plötzlich und beträchtlich steigen mußte. Es ist glaubwürdig überliefert, wie<br />
an sich glaublich, daß um 416 (338) man 165000 römische Bürger zählte, wozu es recht gut stimmt,<br />
daß zehn Jahre vorher, als man gegen Latium und Gallien die ganze Miliz unter die Waffen rief,<br />
das erste Aufgebot zehn Legionen, also 50000 Mann betrug. Seit den großen Gebietserweiterungen<br />
in Etrurien, Latium und Kampanien zählte man im fünften Jahrhundert durchschnittlich 250000,<br />
unmittelbar vor dem ersten Punischen Kriege 280000 bis 290000 waffenfähige Bürger. Diese Zahlen<br />
sind sicher genug, allein aus einem anderen Grunde geschichtlich nicht vollständig brauchbar: dabei<br />
nämlich sind wahrscheinlich die römischen Vollbürger und die nicht, wie die Kampaner, in eigenen<br />
Legionen dienenden “Bürger ohne Stimme”, wie zum Beispiel die Caeriten, ineinander gerechnet,<br />
während doch die letzteren faktisch durchaus den Untertanen beigezählt werden müssen (<strong>Römische</strong><br />
Forschungen, Bd. 2, S. 396).