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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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191<br />

Gelagen sich anhängte, so hieß er ein Bummler.” Wer nun aber gar Tanz, Musik<br />

und Bänkelgesang für Geld betrieb, ward bei der immer mehr sich festsetzenden<br />

Bescholtenheit eines jeden durch Dienstverrichtungen gegen Entgelt gewonnenen<br />

Lebensunterhalts von einem zwiefachen Makel getroffen. Wenn daher das Mitwirken<br />

bei den landüblichen maskierten Charakterpossen als ein unschuldiger jugendlicher<br />

Mutwille betrachtet ward, so galt das Auftreten auf der öffentlichen Bühne<br />

für Geld und ohne Masken geradezu für schändlich, und der Sänger und Dichter<br />

stand dabei mit dem Seiltänzer und dem Hanswurst völlig in gleicher Reihe. Dergleichen<br />

Leute wurden durch die Sittenmeister regelmäßig für unfähig erklärt, in<br />

dem Bürgerheer zu dienen und in der Bürgerversammlung zu stimmen. Es wurde<br />

ferner nicht bloß, was allein schon bezeichnend genug ist, die Bühnendirektion<br />

betrachtet als zur Kompetenz der Stadtpolizei gehörig, sondern es ward auch der<br />

Polizei wahrscheinlich schon in dieser Zeit gegen die gewerbmäßigen Bühnenkünstler<br />

eine außerordentliche arbiträre Gewalt eingeräumt. Nicht allein hielten<br />

die Polizeiherren nach vollendeter Aufführung über sie Gericht, wobei der Wein<br />

für die geschickten Leute ebenso reichlich floß, wie für den Stümper die Prügel<br />

fielen, sondern es waren auch sämtliche städtische Beamte gesetzlich befugt, über<br />

jeden Schauspieler zu jeder Zeit und an jedem Orte körperliche Züchtigung und<br />

Einsperrung zu verhängen. Die notwendige Folge davon war, daß Tanz, Musik und<br />

Poesie, wenigstens soweit sie auf der öffentlichen Bühne sich zeigten, den niedrigsten<br />

Klassen der römischen Bürgerschaft und vor allem den Fremden in die Hände<br />

fielen; und wenn in dieser Zeit die Poesie dabei noch überhaupt eine zu geringe<br />

Rolle spielte, als daß fremde Künstler mit ihr sich beschäftigt hätten, so darf dagegen<br />

die Angabe, daß in Rom die gesamte sakrale und profane Musik wesentlich<br />

etruskisch, also die alte, einst offenbar hochgehaltene latinische Flötenkunst durch<br />

die fremdländische unterdrückt war, schon für diese Zeit gültig erachtet werden.<br />

Von einer poetischen Literatur ist keine Rede. Weder die Maskenspiele noch<br />

die Bühnenrezitationen können eigentlich feste Texte gehabt haben, sondern wurden<br />

je nach Bedürfnis regelmäßig von den Vortragenden selbst verfertigt. Von<br />

schriftstellerischen Arbeiten aus dieser Zeit wußte man späterhin nichts aufzuzeigen<br />

als eine Art römischer “Werke und Tage”, eine Unterweisung des Bauern<br />

an seinen Sohn 2 , und die schon erwähnten pythagoreischen Gedichte des Appius<br />

Claudius, den ersten Anfang hellenisierender römischer Poesie. Übrig geblieben<br />

ist von den Dichtungen dieser Epoche nichts als eine und die andere Grabschrift<br />

2 Erhalten ist davon das Bruchstück:<br />

Bei trocknem Herbste, nassem – Frühling, wirst du, Knabe,<br />

Einernten große Spelte.<br />

Wir wissen freilich nicht, mit welchem Rechte dieses Gedicht späterhin als das älteste römische<br />

galt (Macr. Sat. 5, 20; Fest. v. flaminius p. 93 M; Serv. georg. 1, 101; Plin. nat. 17, 2, 14).

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