Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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134 KAPITEL 7. KÖNIG PYRRHOS GEGEN ROM<br />
gegen Unteritalien gegeben, wo in den Jahren 469-471 (285-283) der Kampf nicht<br />
ernstlich geführt worden war. Hatte bis dahin die schwache römische Armee Mühe<br />
gehabt, sich in Thurii gegen die Lucaner und Brettier zu behaupten, so erschien<br />
jetzt (472 282) der Konsul Gaius Fabricius Luscinus mit einem starken Heer vor<br />
der Stadt, befreite dieselbe, schlug die Lucaner in einem großen Treffen und nahm<br />
ihren Feldherrn Statilius gefangen. Die kleineren nichtdorischen Griechenstädte,<br />
die in den Römern ihre Retter erkannten, fielen ihnen überall freiwillig zu; römische<br />
Besatzungen blieben zurück in den wichtigsten Plätzen, in Lokri, Kroton,<br />
Thurii und namentlich in Rhegion, auf welche letztere Stadt auch die Karthager<br />
Absichten zu haben schienen. Überall war Rom im entschiedensten Vorteil. Die<br />
Vernichtung der Senonen hatte den Römern eine bedeutende Strecke des adriatischen<br />
Litorals in die Hände gegeben; ohne Zweifel im Hinblick auf die unter der<br />
Asche glimmende Fehde mit Tarent und die schon drohende Invasion der Epeiroten<br />
eilte man, sich dieser Küste sowie der Adriatischen See zu versichern. Es ward<br />
(um 471 283) eine Bürgerkolonie geführt nach dem Hafenplatz Sena (Sinigaglia),<br />
der ehemaligen Hauptstadt des senonischen Bezirks und gleichzeitig segelte eine<br />
römische Flotte aus dem Tyrrhenischen Meer in die östlichen Gewässer, offenbar,<br />
um im Adriatischen Meer zu stationieren und dort die römischen Besitzungen zu<br />
decken.<br />
Die Tarentiner hatten seit dem Vertrag von 450 (304) mit Rom in Frieden gelebt.<br />
Sie hatten der langen Agonie der Samniten, der raschen Vernichtung der Senonen<br />
zugesehen, sich die Gründung von Venusia, Hatria, Sena, die Besetzung<br />
von Thurii und Rhegion gefallen lassen, ohne Einspruch zu tun. Aber als jetzt die<br />
römische Flotte auf ihrer Fahrt vom Tyrrhenischen ins Adriatische Meer in die<br />
tarentinischen Gewässer gelangte und im Hafen der befreundeten Stadt vor Anker<br />
ging, schwoll die langgehegte Erbitterung endlich über; die alten Verträge, die<br />
den römischen Kriegsschiffen untersagten, östlich vom Lakinischen Vorgebirg zu<br />
fahren, wurden in der Bürgerversammlung von den Volksmännern zur Sprache gebracht;<br />
wütend stürzte der Haufen über die römischen Kriegsschiffe her, die, unversehens<br />
nach Piratenart überfallen, nach heftigem Kampfe unterlagen; fünf Schiffe<br />
wurden genommen und deren Mannschaft hingerichtet oder in die Knechtschaft<br />
verkauft, der römische Admiral selbst war in dem Kampf gefallen. Nur der souveräne<br />
Unverstand und die souveräne Gewissenlosigkeit der Pöbelherrschaft erklärt<br />
diese schmachvollen Vorgänge. Jene Verträge gehörten einer Zeit an, die längst<br />
überschritten und verschollen war; es ist einleuchtend, daß sie wenigstens seit der<br />
Gründung von Hatria und Sena schlechterdings keinen Sinn mehr hatten und daß<br />
die Römer im guten Glauben an das bestehende Bündnis in den Golf einfuhren –<br />
lag es doch gar sehr in ihrem Interesse, wie der weitere Verlauf der Dinge zeigt,<br />
den Tarentinern durchaus keinen Anlaß zur Kriegserklärung darzubieten. Wenn<br />
die Staatsmänner Tarents den Krieg an Rom erklären wollten, so taten sie bloß,