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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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den Rat nur gab, wer zur Tat nicht berufen war und also sämtlichen funktionierenden<br />

Beamten während ihres Amtsjahrs nur Sitz, nicht Stimme im Gemeinderat<br />

zukam. Aber es blieb hierbei nicht. Die Tribune empfingen das unterscheidende<br />

Vorrecht der höchsten Magistratur, das sonst von den ordentlichen Beamten nur<br />

den Konsuln und Prätoren zustand: das Recht, den Senat zu versammeln, zu befragen<br />

und einen Beschluß desselben zu bewirken 6 . Es war das nur in der Ordnung:<br />

die Häupter der plebejischen Aristokratie mußten denen der patrizischen im Senate<br />

gleichgestellt werden, seit das Regiment von dem Gesellschaftsadel übergegangen<br />

war auf die vereinigte Aristokratie. Indem dieses ursprünglich von aller Teilnahme<br />

an der Staatsverwaltung ausgeschlossene Oppositionskollegium jetzt, namentlich<br />

für die eigentlich städtischen Angelegenheiten, eine zweite höchste Exekutivstelle<br />

ward und eines der gewöhnlichsten und brauchbarsten Organe der Regierung, daß<br />

heißt des Senats, um die Bürgerschaft zu lenken und vor allem um Ausschreitungen<br />

der Beamten zu hemmen, wurde es allerdings seinem ursprünglichen Wesen nach<br />

absorbiert und politisch vernichtet; indes war dieses Verfahren in der Tat durch<br />

die Notwendigkeit geboten. Wie klar auch die Mängel der römischen Aristokratie<br />

zutage liegen und wie entschieden das stetige Wachsen der aristokratischen Übermacht<br />

mit der tatsächlichen Beseitigung des Tribunats zusammenhängt, so kann<br />

doch nicht verkannt werden, daß auf die Länge sich nicht mit einer Behörde regieren<br />

ließ, welche nicht bloß zwecklos war und fast auf die Hinhaltung des leidenden<br />

Proletariats durch trügerische Hilfsvorspiegelung berechnet, sondern zugleich entschieden<br />

revolutionär und im Besitz einer eigentlich anarchischen Befugnis der<br />

Hemmung der Beamten-, ja der Staatsgewalt selbst. Aber der Glaube an das Ideale,<br />

in dem alle Macht wie alle Ohnmacht der Demokratie begründet ist, hatte in<br />

den Gemütern der Römer aufs engste an das Gemeindetribunat sich geheftet, und<br />

man braucht nicht erst an Cola Rienzi zu erinnern, um einzusehen, daß dasselbe,<br />

wie wesenlos immer der daraus für die Menge entspringende Vorteil war, ohne eine<br />

furchtbare Staatsumwälzung nicht beseitigt werden konnte. Darum begnügte man<br />

sich mit echt bürgerlicher Staatsklugheit, in den möglichst wenig in die Augen fallenden<br />

Formen die Sache zu vernichten. Der bloße Name dieser ihrem innersten<br />

Kern nach revolutionären Magistratur blieb immer noch innerhalb des aristokratisch<br />

regierten Gemeinwesens gegenwärtig ein Widerspruch und für die Zukunft,<br />

in den Händen einer dereinstigen Umsturzpartei, eine schneidende und gefährliche<br />

Waffe; indes für jetzt und noch auf lange hinaus war die Aristokratie so unbedingt<br />

mächtig und so vollständig im Besitz des Tribunats, daß von einer kollegialischen<br />

Opposition der Tribune gegen den Senat schlechterdings keine Spur sich findet und<br />

die Regierung der etwa vorkommenden verlorenen oppositionellen Regungen ein-<br />

6 Daher werden die für den Senat bestimmten Depeschen adressiert an Konsuln, Prätoren, Volkstribune<br />

und Senat (Cic. ad fam. 15, 2 und sonst).<br />

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