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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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112 KAPITEL 6. DIE ITALIKER GEGEN ROM<br />

Feinde auszuliefern. Es kann der unparteiischen <strong>Geschichte</strong> wenig darauf ankommen,<br />

ob die römische Advokaten- und Pfaffenkasuistik hierbei den Buchstaben des<br />

Rechts gewahrt oder der Beschluß des römischen Senats denselben verletzt hat;<br />

menschlich und politisch betrachtet trifft die Römer hier kein Tadel. Es ist ziemlich<br />

gleichgültig, ob nach formellem römischen Staatsrecht der kommandierende<br />

General befugt oder nicht befugt war, ohne vorbehaltene Ratifikation der Bürgerschaft<br />

Frieden zu schließen; dem Geiste und der Übung der Verfassung nach stand<br />

es vollkommen Fest, daß in Rom jeder nicht rein militärische Staatsvertrag zur<br />

Kompetenz der bürgerlichen Gewalten gehörte und ein Feldherr, der ohne Auftrag<br />

von Rat und Bürgerschaft Frieden schloß, mehr tat, als er tun durfte. Es war ein<br />

größerer Fehler des samnitischen Feldherrn, den römischen die Wahl zu stellen<br />

zwischen Rettung ihres Heeres und Überschreitung ihrer Vollmacht, als der römischen,<br />

daß sie nicht die Seelengröße hatten, die letztere Anmutung unbedingt<br />

zurückzuweisen; und daß der römische Senat einen solchen Vertrag verwarf, war<br />

recht und notwendig. Kein großes Volk gibt, was es besitzt, anders hin als unter<br />

dem Druck der äußersten Notwendigkeit; alle Abtretungsverträge sind Anerkenntnisse<br />

einer solchen, nicht sittliche Verpflichtungen. Wenn jede Nation mit Recht ihre<br />

Ehre darein setzt, schimpfliche Verträge mit den Waffen zu zerreißen, wie kann<br />

ihr dann die Ehre gebieten, an einem Vertrage gleich dem Caudinischen, zu dem<br />

ein unglücklicher Feldherr moralisch genötigt worden ist, geduldig festzuhalten,<br />

wenn die frische Schande brennt und die Kraft ungebrochen dasteht?<br />

So brachte der Friedensvertrag von Caudium nicht die Ruhe, die die Friedensenthusiasten<br />

in Samnium törichterweise davon erhofft hatten, sondern nur Krieg<br />

und wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seiten durch die verscherzte<br />

Gelegenheit, das gebrochene feierliche Wort, die geschändete Waffenehre,<br />

die preisgegebenen Kameraden. Die ausgelieferten römischen Offiziere wurden<br />

von den Samniten nicht angenommen, teils weil sie zu groß dachten, um an diesen<br />

Unglücklichen ihre Rache zu üben, teils weil sie damit den Römern würden zugestanden<br />

haben, daß das Bündnis nur die Schwörenden verpflichtet habe, nicht den<br />

römischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geiseln, deren Leben nach<br />

Kriegsrecht verwirkt war, und wandten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf.<br />

Luceria ward von ihnen besetzt, Fregellae überfallen und erstürmt (434 320), bevor<br />

die Römer die aufgelöste Armee wieder reorganisiert hatten; was man hätte erreichen<br />

können, wenn man den Vorteil nicht hätte aus den Händen fahren lassen, zeigt<br />

der Übertritt der Satricaner 2 zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich<br />

gelähmt, nicht geschwächt; voll Scham und Erbitterung bot man dort auf, was man<br />

an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte den erprobtesten, als Soldat wie<br />

2 Es sind dies nicht die Einwohner von Satricum bei Antium, sondern die einer anderen volskischen,<br />

damals als römische Bürgergemeinde ohne Stimmrecht konstituierten Stadt bei Arpinum.

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