Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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186 KAPITEL 8. RECHT, RELIGION, KRIEGSWESEN, . . .<br />
Vorfahren aufhängen ließ (442 312); so die im Jahre 461 (293) bei dem römischen<br />
Volksfest eingeführte Erteilung von Palmzweigen an die Wettkämpfer; so vor allem<br />
die griechische Tischsitte. Die Weise, bei Tische nicht wie ehemals auf Bänken<br />
zu sitzen, sondern auf Sofas zu liegen; die Verschiebung der Hauptmahlzeit von<br />
der Mittag- auf die Stunde zwischen zwei und drei Uhr nachmittags nach unserer<br />
Rechnung; die Trinkmeister bei den Schmäusen, welche meistens durch Würfelung<br />
aus den Gästen für den Schmaus bestellt werden und nun den Tischgenossen<br />
vorschreiben, was, wie und wann getrunken werden soll; die nach der Reihe von<br />
den Gästen gesungenen Tischlieder, die freilich in Rom nicht Skolien, sondern Ahnengesänge<br />
waren – alles dies ist in Rom nicht ursprünglich und doch schon in sehr<br />
alter Zeit den Griechen entlehnt; denn zu Catos Zeit waren diese Gebräuche bereits<br />
gemein, ja zum Teil schon wieder abgekommen. Man wird daher ihre Einführung<br />
spätestens in diese Zeit zu setzen haben. Charakteristisch ist auch die Errichtung<br />
der Bildsäulen des “weisesten und des tapfersten Griechen” auf dem römischen<br />
Markt, die während der Samnitischen Kriege auf Geheiß des pythischen Apollon<br />
stattfand; man wählte, offenbar unter sizilischem oder kampanischem Einfluß, den<br />
Pythagoras und den Alkibiades, den Heiland und den Hannibal der Westhellenen.<br />
Wie verbreitet die Kenntnis des Griechischen schon im fünften Jahrhundert unter<br />
den vornehmen Römern war, beweisen die Gesandtschaften der Römer nach<br />
Tarent, wo der Redner der Römer, wenn auch nicht im reinsten Griechisch, doch<br />
ohne Dolmetsch sprach, und des Kineas nach Rom. Es leidet kaum einen Zweifel,<br />
daß seit dem fünften Jahrhundert die jungen Römer, die sich den Staatsgeschäften<br />
widmeten, durchgängig die Kunde der damaligen Welt- und Diplomatensprache<br />
sich erwarben.<br />
So schritt auf dem geistigen Gebiet der Hellenismus ebenso unaufhaltsam vorwärts,<br />
wie der Römer arbeitete, die Erde sich untertänig zu machen; und die sekundären<br />
Nationalitäten, wie die samnitische, keltische, etruskische, verloren, von<br />
zwei Seiten her bedrängt, immer mehr an Ausdehnung wie an innerer Kraft.<br />
Wie aber die beiden großen Nationen, beide angelangt auf dem Höhepunkt ihrer<br />
Entwicklung, in feindlicher wie in freundlicher Berührung anfangen sich zu<br />
durchdringen, tritt zugleich ihre Gegensätzlichkeit, der gänzliche Mangel alles Individualismus<br />
in dem italischen und vor allem in dem römischen Wesen gegenüber<br />
der unendlichen stammlichen, örtlichen und menschlichen Mannigfaltigkeit des<br />
Hellenismus in voller Schärfe hervor. Es gibt keine gewaltigere Epoche in der <strong>Geschichte</strong><br />
Roms als die Epoche von der Einsetzung der römischen Republik bis auf<br />
die Unterwerfung Italiens; in ihr wurde das Gemeinwesen nach innen wie nach<br />
außen begründet, in ihr das einige Italien erschaffen, in ihr das traditionelle Fundament<br />
des Landrechts und der Landesgeschichte erzeugt, in ihr das Pilum und der<br />
Manipel, der Straßen- und Wasserbau, die Guts- und Geldwirtschaft begründet,<br />
in ihr die Kapitolinische Wölfin gegossen und das ficoronische Kästchen gezeich-