Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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54 KAPITEL 3. DIE AUSGLEICHUNG DER STÄNDE<br />
litische Gleichheit hergestellt hat. Beides hing eng miteinander zusammen; denn<br />
wenn die ökonomische Bedrängnis den Mittelstand aufzehrte und die Bürgerschaft<br />
in eine Minderzahl von Reichen und ein notleidendes Proletariat auflöste, so war<br />
die bürgerliche Gleichheit damit zugleich vernichtet und das republikanische Gemeinwesen<br />
der Sache nach zerstört. Die Erhaltung und Mehrung des Mittelstandes,<br />
namentlich der Bauernschaft, war darum für jeden patriotischen Staatsmann Roms<br />
nicht bloß eine wichtige, sondern von allen die wichtigste Aufgabe. Die neu zum<br />
Regiment berufenen Plebejer aber waren überdies noch, da sie zum guten Teil die<br />
gewonnenen Rechte dem notleidenden und von ihnen Hilfe erhoffenden Proletariat<br />
verdankten, politisch und sittlich besonders verpflichtet, demselben, soweit es<br />
überhaupt auf diesem Wege möglich war, durch Regierungsmaßregeln zu helfen.<br />
Betrachten wir zunächst, inwiefern indem hierher gehörenden Teil der Gesetzgebung<br />
von 387 (367) eine ernstliche Abhilfe enthalten war. Daß die Bestimmung<br />
zu Gunsten der freien Tagelöhner ihren Zweck: der Groß- und Sklavenwirtschaft<br />
zu steuern und den freien Proletariern wenigstens einen Teil der Arbeit zu sichern,<br />
unmöglich erreichen konnte, leuchtet ein; aber hier konnte auch die Gesetzgebung<br />
nicht helfen, ohne an den Fundamenten der bürgerlichen Ordnung jener Zeit in<br />
einer Weise zu rütteln, die über den Horizont derselben weit hinausging. In der<br />
Domanialfrage dagegen wäre es den Gesetzgebern möglich gewesen, Wandel zu<br />
schaffen; aber was geschah, reichte dazu offenbar nicht aus. Indem die neue Domänenordnung<br />
die Betreibung der gemeinen Weide mit schon sehr ansehnlichen<br />
Herden und die Okkupation des nicht zur Weide ausgelegten Domanialbesitzes<br />
bis zu einem hoch gegriffenen Maximalsatz gestattete, räumte sie den Vermögenden<br />
einen bedeutenden und vielleicht schon unverhältnismäßigen Voranteil an dem<br />
Domänenertrag ein und verlieh durch die letztere Anordnung dem Domanialbesitz,<br />
obgleich er rechtlich zehntpflichtig und beliebig widerruflich blieb, sowie dem<br />
Okkupationssystem selbst gewissermaßen eine gesetzliche Sanktion. Bedenklicher<br />
noch war es, daß die neue Gesetzgebung weder die bestehenden, offenbar ungenügenden<br />
Anstalten zur Eintreibung des Hutgeldes und des Zehnten durch wirksamere<br />
Zwangsmaßregeln ersetzte, noch eine durchgreifende Revision des Domanialbesitzes<br />
vorschrieb, noch eine mit der Ausführung der neuen Gesetze beauftragte Behörde<br />
einsetzte. Die Aufteilung des vorhandenen okkupierten Domaniallandesteils<br />
unter die Inhaber bis zu einem billigen Maximalsatz, teils unter die eigentumslosen<br />
Plebejer, beiden aber zu vollem Eigentum, die Abschaffung des Okkupationssystems<br />
für die Zukunft und die Niedersetzung einer zu sofortiger Aufteilung<br />
künftiger neuer Gebietserwerbungen befugten Behörde waren durch die Verhältnisse<br />
so deutlich geboten, daß es gewiß nicht Mangel an Einsicht war, wenn diese<br />
durchgreifenden Maßregeln unterblieben. Man kann nicht umhin, sich daran zu<br />
erinnern, daß die plebejische Aristokratie, also eben ein Teil der hinsichtlich der<br />
Domanialnutzungen tatsächlich privilegierten Klasse es war, welche die neue Ord-