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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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die reichen Plebejer selbst an diesen Mißbräuchen kein minderes Interesse hatten<br />

als die Patrizier. So gründete man diese seltsame Magistratur, deren handgreiflicher<br />

Beistand dem gemeinen Mann einleuchtete und die doch die notwendige ökonomische<br />

Reform unmöglich durchsetzen konnte. Sie ist kein Beweis politischer<br />

Weisheit, sondern ein schlechtes Kompromiß zwischen dem reichen Adel und der<br />

führerlosen Menge. Man hat gesagt, das Volkstribunat habe Rom vor der Tyrannis<br />

bewahrt. Wäre dies wahr, so würde es wenig bedeuten; die Änderung der Staatsform<br />

ist an sich für ein Volk kein Unheil, und für das römische war es vielmehr<br />

ein Unglück, daß die Monarchie zu spät eingeführt ward nach Erschöpfung der<br />

physischen und geistigen Kräfte der Nation. Es ist aber nicht einmal richtig, wie<br />

schon das beweist, daß die italischen Staaten ebenso regelmäßig ohne Tyrannis geblieben<br />

sind wie sie in den hellenischen regelmäßig aufstanden. Der Grund liegt<br />

einfach darin, daß die Tyrannis überall die Folge des allgemeinen Stimmrechts ist<br />

und daß die Italiker länger als die Griechen die nicht grundsässigen Bürger von<br />

den Gemeindeversammlungen ausschlossen; als Rom hiervon abging, blieb auch<br />

die Monarchie nicht aus, ja knüpfte eben an an das tribunizische Amt. Daß das<br />

Volkstribunat auch genützt hat, indem es der Opposition gesetzliche Bahnen wies<br />

und manche Verkehrtheit abwehrte, wird niemand verkennen; aber ebensowenig,<br />

daß, wo es sich nützlich erwies, es für ganz andere Dinge gebraucht ward, als wofür<br />

man es begründet hatte. Das verwegene Experiment, den Führern der Opposition<br />

ein verfassungsmäßiges Veto einzuräumen und sie mit der Macht, es rücksichtslos<br />

geltend zu machen, auszustatten, bleibt ein Notbehelf, der den Staat politisch aus<br />

den Angeln gehoben und die sozialen Mißstände durch nutzlose Palliative hingeschleppt<br />

hat.<br />

Indes man hatte den Bürgerkrieg organisiert; er ging seinen Gang. Wie zur<br />

Schlacht standen die Parteien sich gegenüber, jede unter ihren Führern; Beschränkung<br />

der konsularischen, Erweiterung der tribunizischen Gewalt ward auf der einen,<br />

die Vernichtung des Tribunats auf der andern Seite angestrebt; die gesetzlich straflos<br />

gemachte Insubordination, die Weigerung, sich zur Landesverteidigung zu stellen,<br />

die Buß- und Strafklagen namentlich gegen Beamte, die die Rechte der Gemeinde<br />

verletzt oder auch nur ihr Mißfallen erregt hatten, waren die Waffen der<br />

Plebejer, denen die Junker Gewalt und Einverständnisse mit den Landesfeinden,<br />

gelegentlich auch den Dolch des Meuchelmörders entgegensetzten; auf den Straßen<br />

kam es zum Handgemenge und hüben und drüben vergriff man sich an der<br />

Heiligkeit der Magistratspersonen. Viele Bürgerfamilien sollen ausgewandert sein<br />

und in den benachbarten Gemeinden einen friedlicheren Wohnsitz gesucht haben;<br />

und man mag es wohl glauben. Es zeugt von dem starken Bürgersinn im Volk,<br />

nicht daß es diese Verfassung sich gab, sondern daß es sie ertrug und die Gemeinde<br />

trotz der heftigsten Kämpfe dennoch zusammenhielt. Das bekannteste Ereignis<br />

aus diesen Ständekämpfen ist die <strong>Geschichte</strong> des Gnaeus Marcius, eines tapferen<br />

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