Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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Zeit anlangen, so konnte kein anderer Weg eingeschlagen werden als mitten durch<br />
das feindliche Gebiet, da wo später als Fortsetzung der Appischen Straße die römische<br />
Chaussee von Capua über Benevent nach Apulien angelegt ward. Dieser Weg<br />
führte zwischen den heutigen Orten Arpaja und Montesarchio (Caudium) durch<br />
einen feuchten Wiesengrund, der rings von hohen und steilen Waldhügeln umschlossen<br />
und nur durch tiefe Einschnitte beim Ein- und Austritt zugänglich war.<br />
Hier hatten die Samniten verdeckt sich aufgestellt. Die Römer, ohne Hindernis in<br />
das Tal eingetreten, fanden den Ausweg durch Verhaue gesperrt und stark besetzt;<br />
zurückmarschierend erblickten sie den Eingang in ähnlicher Weise geschlossen<br />
und gleichzeitig krönten die Bergränder rings im Kreise sich mit den samnitischen<br />
Kohorten. Zu spät begriffen sie, daß sie sich durch eine Kriegslist hatten täuschen<br />
lassen und daß die Samniten nicht bei Luceria sie erwarteten, sondern in dem verhängnisvollen<br />
Paß von Caudium. Man schlug sich, aber ohne Hoffnung auf Erfolg<br />
und ohne ernstliches Ziel; das römische Heer war gänzlich unfähig zu manövrieren<br />
und ohne Kampf vollständig überwunden. Die römischen Generale Boten die Kapitulation<br />
an. Nur törichte Rhetorik läßt dem samnitischen Feldherrn die Wahl bloß<br />
zwischen Entlassung und Niedermetzelung der römischen Armee; er konnte nichts<br />
Besseres tun als die angebotene Kapitulation annehmen und das feindliche Heer,<br />
die gesamte augenblicklich aktive Streitmacht der römischen Gemeinde mit beiden<br />
höchstkommandierenden Feldherren, gefangen machen; worauf ihm dann der Weg<br />
nach Kampanien und Latium offenstand und unter den damaligen Verhältnissen,<br />
wo die Volsker und Herniker und der größte Teil der Latiner ihn mit offenen Armen<br />
empfangen haben würden, Roms politische Existenz ernstlich gefährdet war.<br />
Allein statt diesen Weg einzuschlagen und eine Militärkonvention zu schließen,<br />
dachte Gavius Pontius durch einen billigen Frieden gleich den ganzen Hader beendigen<br />
zu können; sei es, daß er die unverständige Friedenssehnsucht der Eidgenossen<br />
teilte, der das Jahr zuvor Brutulus Papius zum Opfer gefallen war, sei es, daß<br />
er nicht imstande war, der kriegsmüden Partei zu wehren, daß sie den beispiellosen<br />
Sieg ihm verdarb. Die gestellten Bedingungen waren mäßig genug: Rom solle<br />
die vertragswidrig angelegten Festungen – Cales und Fregellae – schleifen und den<br />
gleichen Bund mit Samnium erneuern. Nachdem die römischen Feldherren dieselben<br />
eingegangen waren und für die getreuliche Ausführung sechshundert aus der<br />
Reiterei erlesene Geiseln gestellt, überdies ihr und ihrer sämtlichen Stabsoffiziere<br />
Eideswort dafür verpfändet hatten, wurde das römische Heer entlassen, unverletzt,<br />
aber entehrt; denn das siegestrunkene samnitische Heer gewann es nicht über sich,<br />
den gehaßten Feinden die schimpfliche Form der Waffenstreckung und des Abzuges<br />
unter dem Galgen durch zu erlassen.<br />
Allein der römische Senat, unbekümmert um den Eid der Offiziere und um<br />
das Schicksal der Geiseln, kassierte den Vertrag und begnügte sich diejenigen, die<br />
ihn abgeschlossen hatten, als persönlich für dessen Erfüllung verantwortlich dem