Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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der Lagide, der solche Feuerseelen, wie der epeirotische Jüngling eine war, vortrefflich<br />
für seine feine Politik zu nutzen verstand, tat nicht bloß seiner Gemahlin,<br />
der Königin Berenike einen Gefallen, sondern förderte auch seine eigenen Zwecke,<br />
indem er dem jungen Fürsten seine Stieftochter, die Prinzessin Antigone zur Gemahlin<br />
gab und dem geliebten “Sohn” zur Rückkehr in die Heimat seinen Beistand<br />
und seinen mächtigen Einfluß lieh (458 296). Zurückgekehrt in sein väterliches<br />
Reich fiel ihm bald alles zu; die tapferen Epeiroten, die Albanesen des Altertums,<br />
hingen mit angestammter Treue und frischer Begeisterung an dem mutigen Jüngling,<br />
dem “Adler”, wie sie ihn hießen. In den um die makedonische Thronfolge<br />
nach Kassanders Tod (457 297) entstandenen Wirren erweiterte der Epeirote sein<br />
Reich; nach und nach gewann er die Landschaften an dem ambrakischen Busen<br />
mit der wichtigen Stadt Ambrakia, die Insel Kerkyra, ja selbst einen Teil des makedonischen<br />
Gebiets, und widerstand mit weit geringeren Streitkräften dem König<br />
Demetrios zur Bewunderung der Makedonier selbst. Ja, als Demetrios durch seine<br />
eigene Torheit in Makedonien vom Thron gestürzt war, trug man dort dem ritterlichen<br />
Gegner, dem Verwandten der Alexandriden, denselben freiwillig an (467<br />
287). In der Tat, keiner war würdiger als Pyrrhos, das königliche Diadem Philipps<br />
und Alexanders zu tragen. In einer tief versunkenen Zeit, in der Fürstlichkeit<br />
und Niederträchtigkeit gleichbedeutend zu werden begannen, leuchtete hell Pyrrhos’<br />
persönlich unbefleckter und sittenreiner Charakter. Für die freien Bauern des<br />
makedonischen Stammlandes, die, obwohl gemindert und verarmt, sich doch fernhielten<br />
von dem Verfall der Sitten und der Tapferkeit, den das Diadochenregiment<br />
in Griechenland und Asien herbeiführte, schien eben Pyrrhos recht eigentlich zum<br />
König geschaffen; er, der gleich Alexander in seinem Haus, im Freundeskreise allen<br />
menschlichen Beziehungen sein Herz offen erhielt und das in Makedonien so<br />
verhaßte orientalische Sultanwesen stets von sich abgewehrt hatte; er, der gleich<br />
Alexander anerkannt der erste Taktiker seiner Zeit war. Aber das seltsam überspannte<br />
makedonische Nationalgefühl, das den elendesten makedonischen Herrn<br />
dem tüchtigsten Fremden vorzog, die unvernünftige Widerspenstigkeit der makedonischen<br />
Truppen gegen jeden nicht makedonischen Führer, welcher der größte<br />
Feldherr aus Alexanders Schule, der Kardianer Eumenes erlegen war, bereitete<br />
auch der Herrschaft des epeirotischen Fürsten ein schnelles Ende. Pyrrhos, der die<br />
Herrschaft über Makedonien mit dem Willen der Makedonier nicht führen konnte,<br />
und zu machtlos, vielleicht auch zu hochherzig war, um sich dem Volke gegen dessen<br />
Willen aufzudrängen, überließ schon nach siebenmonatlicher Herrschaft das<br />
Land seiner einheimischen Mißregierung und ging heim zu seinen treuen Epeiroten<br />
(467 287). Aber der Mann, der Alexanders Krone getragen hatte, der Schwager<br />
des Demetrios, der Schwiegersohn des Lagiden und des Agathokles von Syrakus,<br />
der hochgebildete Strategiker, der Memoiren und wissenschaftliche Abhandlungen<br />
über die Kriegskunst schrieb, konnte unmöglich sein Leben darüber beschließen,