Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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lenischen Einflusses zu suchen sein, welcher letztere namentlich in Caere sich sehr<br />
entschieden geltend gemacht haben muß; die Tatsache selbst ist nicht zu bezweifeln.<br />
Um so mehr mußte die frühe Unterjochung der südlichen Hälfte Etruriens<br />
durch die Römer und die sehr zeitig hier beginnende Romanisierung der etruskischen<br />
Kunst verderblich werden; was Nordetrurien, auf sich allein beschränkt,<br />
künstlerisch zu leisten vermochte, zeigen die wesentlich ihm angehörenden Kupfermünzen.<br />
Wenden wir die Blicke von Etrurien nach Latium, so hat freilich auch dies keine<br />
neue Kunst geschaffen; es war einer weit späteren Kulturepoche vorbehalten,<br />
aus dem Motiv des Bogens eine neue, von der hellenischen Tektonik verschiedene<br />
Architektur zu entwickeln und sodann mit dieser harmonisch eine neue Bildnerei<br />
und Malerei zu entfalten. Die latinische Kunst ist nirgend originell und oft gering;<br />
aber die frisch empfindende und taktvoll wählende Aneignung des fremden Gutes<br />
ist auch ein hohes künstlerisches Verdienst. Nicht leicht hat die latinische Kunst<br />
barbarisiert und in ihren besten Erzeugnissen steht sie völlig im Niveau der griechischen<br />
Technik. Eine gewisse Abhängigkeit der Kunst Latiums wenigstens in ihren<br />
früheren Stadien von der sicher älteren etruskischen soll darum nicht geleugnet<br />
werden; es mag Varro immerhin mit Recht angenommen haben, daß bis auf die im<br />
Cerestempel von griechischen Künstlern ausgeführten nur “tuscanische” Tonbilder<br />
die römischen Tempel verzierten; aber daß doch vor allem der unmittelbare Einfluß<br />
der Griechen die latinische Kunst bestimmt hat, ist an sich schon klar und liegt<br />
auch in eben diesen Bildwerken sowie in den latinischen und römischen Münzen<br />
deutlich zu Tage. Selbst die Anwendung der Metallzeichnung in Etrurien lediglich<br />
auf den Toilettenspiegel, in Latium lediglich auf den Toilettenkasten deutet<br />
auf die Verschiedenartigkeit der beiden Landschaften zuteil gewordenen Kunstanregung.<br />
Es scheint indes nicht gerade Rom gewesen zu sein, wo die latinische<br />
Kunst ihre frischesten Blüten trieb; die römischen Asse und die römischen Denare<br />
werden von den latinischen Kupfer- und den seltenen latinischen Silbermünzen<br />
an Feinheit und Geschmack der Arbeit bei weitem übertroffen und auch die Meisterwerke<br />
der Malerei und Zeichnung gehören vorwiegend Praeneste, Lanuvium,<br />
Ardea an. Auch stimmt dies vollständig zu dem früher bezeichneten realistischen<br />
und nüchternen Sinn der römischen Republik, welcher in dem übrigen Latium sich<br />
schwerlich mit gleicher Strenge geltend gemacht haben kann. Aber im Lauf des<br />
fünften Jahrhunderts und besonders in der zweiten Hälfte desselben regte es denn<br />
doch sich mächtig auch in der römischen Kunst. Es war dies die Epoche, in welcher<br />
der spätere Bogen- und Straßenbau begann, in welcher Kunstwerke wie die<br />
Kapitolinische Wölfin entstanden, in welcher ein angesehener Mann aus einem<br />
altadeligen römischen Geschlechte den Pinsel ergriff, um einen neugebauten Tempel<br />
auszuschmücken und dafür den Ehrenbeinamen des “Malers” empfing. Das ist<br />
nicht Zufall. Jede große Zeit erfaßt den ganzen Menschen; und wie starr die römi-