Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kapitel 8<br />
Recht, Religion, Kriegswesen,<br />
Volkswirtschaft, Nationalität<br />
In der Entwicklung, welche während dieser Epoche dem Recht innerhalb der römischen<br />
Gemeinde zuteil ward, ist wohl die wichtigste materielle Neuerung die<br />
eigentümliche Sittenkontrolle, welche die Gemeinde selbst und in untergeordnetem<br />
Grade ihre Beauftragten anfingen, über die einzelnen Bürger auszuüben. Der<br />
Keim dazu ist in dem Rechte des Beamten zu suchen, wegen Ordnungswidrigkeiten<br />
Vermögensbußen (multae) zu erkennen. Bei allen Bußen von mehr als zwei Schafen<br />
und 30 Rindern, oder, nachdem durch Gemeindebeschluß vom Jahre 324 (430)<br />
die Viehbußen in Geld umgesetzt worden waren, von mehr als 3020 Libralassen<br />
(218 Taler), kam bald nach der Vertreibung der Könige die Entscheidung im Wege<br />
der Provokation an die Gemeinde, und es erhielt damit das Bruchverfahren ein ursprünglich<br />
ihm durchaus fremdes Gewicht. Unter den vagen Begriff der Ordnungswidrigkeit<br />
ließ sich alles, was man wollte, bringen und durch die höheren Stufen<br />
der Vermögensbußen alles, was man wollte, erreichen; es war eine Milderung, die<br />
die Bedenklichkeit dieses arbiträren Verfahrens weit mehr offenbart als beseitigt,<br />
daß diese Vermögensbußen, wo sie nicht gesetzlich auf eine bestimmte Summe<br />
festgestellt waren, die Hälfte des dem Gebüßten gehörigen Vermögens nicht erreichen<br />
durften. In diesen Kreis gehören schon die Polizeigesetze, an denen die<br />
römische Gemeinde seit ältester Zeit überreich war: die Bestimmungen der Zwölf<br />
Tafeln, welche die Salbung der Leiche durch gedungene Leute, die Mitgabe von<br />
mehr als einem Pfuhl und mehr als drei purpurbesetzten Decken sowie von Gold<br />
und flatternden Kränzen, die Verwendung von bearbeitetem Holz zum Scheiterhaufen,<br />
die Räucherungen und Besprengungen desselben mit Weihrauch und Myrrhenwein<br />
untersagten, die Zahl der Flötenbläser im Leichenzug auf höchstens zehn<br />
beschränkten und die Klageweiber und die Begräbnisgelage verboten – gewisser-<br />
167