Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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nes Sonnenjahrs von 365 Tagen oder dem sogenannten zehnmonatlichen Jahre von<br />
304 Tagen zu rechnen. überdies kam besonders für bäuerliche Zwecke der auf das<br />
ägyptische 365ijtägige Sonnenjahr von Eudoxos (blüht 386 368) gegründete Bauernkalender<br />
auch in Italien früh in Gebrauch.<br />
Einen höheren Begriff von dem, was auch in diesen Fächern die Italiker zu leisten<br />
vermochten, gewähren die Werke der mit den mechanischen Wissenschaften<br />
eng zusammenhängenden Bau- und Bildkunst. Zwar eigentlich originelle Erscheinungen<br />
begegnen auch hier nicht; aber wenn durch den Stempel der Entlehnung,<br />
welcher der italischen Plastik durchgängig aufgedrückt ist, das künstlerische Interesse<br />
an derselben sinkt, so heftet das historische sich nur um so lebendiger an<br />
dieselbe, insofern sie teils von einem sonst verschollenen Völkerverkehr die merkwürdigsten<br />
Zeugnisse bewahrt, teils bei dem so gut wie vollständigen Untergang<br />
der <strong>Geschichte</strong> der nichtrömischen Italiker fast allein uns die verschiedenen Völkerschaften<br />
der Halbinsel in lebendiger Tätigkeit nebeneinander darstellt. Neues<br />
ist hier nicht zu sagen; aber wohl läßt sich mit schärferer Bestimmtheit und auf<br />
breiterer Grundlage ausführen, was schon oben gezeigt ward, daß die griechische<br />
Anregung die Etrusker und die Italiker von verschiedenen Seiten her mächtig erfaßt,<br />
und dort eine reichere und üppigere, hier, wo überhaupt, eine verständigere<br />
und innigere Kunst ins Leben gerufen hat.<br />
Wie völlig die italische Architektur aller Landschaften schon in ihrer ältesten<br />
Periode von hellenischen Elementen durchdrungen ward, ist früher dargestellt worden.<br />
Die Stadtmauern, die Wasserbauten, die pyramidalisch gedeckten Gräber, der<br />
tuscanische Tempel sind nicht oder nicht wesentlich verschieden von den ältesten<br />
hellenischen Bauwerken. Von einer Weiterbildung der Architektur bei den Etruskern<br />
während dieser Epoche hat sich keine Spur erhalten; wir begegnen hier weder<br />
einer wesentlich neuen Rezeption noch einer originellen Schöpfung – man müßte<br />
denn Prachtgräber dahin rechnen wollen, wie das von Varro beschriebene sogenannte<br />
Grabmal des Porsena in Chiusi, das lebhaft an die zwecklose und sonderbare<br />
Herrlichkeit der ägyptischen Pyramiden erinnert.<br />
Auch in Latium bewegte man während der ersten anderthalb Jahrhunderte der<br />
Republik sich wohl lediglich in den bisherigen Gleisen, und es ist schon gesagt<br />
worden, daß mit der Einführung der Republik die Kunstübung eher gesunken als<br />
gestiegen ist. Es ist aus dieser Zeit kaum ein anderes architektonisch bedeutendes<br />
latinisches Bauwerk zu nennen als der im Jahre 261 (493) in Rom am Circus erbaute<br />
Cerestempel, der in der Kaiserzeit als Muster des tuscanischen Stiles gilt.<br />
Aber gegen das Ende dieser Epoche kommt ein neuer Geist in das italische und<br />
namentlich das römische Bauwesen: es beginnt der großartige Bogenbau. Zwar<br />
sind wir nicht berechtigt, den Bogen und das Gewölbe für italische Erfindungen zu<br />
erklären. Es ist wohl ausgemacht, daß in der Epoche der Genesis der hellenischen<br />
Architektur die Hellenen den Bogen noch nicht kannten und darum für ihre Tempel