Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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ejer von der Mitbenutzung des gemeinen Angers aus. Da indes, abgesehen von<br />
dem Übergang in das Privateigentum oder der Assignation, das römische Recht feste<br />
und gleich dem Eigentum zu respektierende Nutzungsrechte einzelner Bürger<br />
am Gemeinlande nicht kannte, so hing es, so lange das Gemeinland Gemeinland<br />
blieb, lediglich von der Willkür des Königs ab den Mitgenuß zu gestatten und zu<br />
begrenzen, und es ist nicht zu bezweifeln, daß er von diesem seinem Recht oder<br />
wenigstens seiner Macht häufig zu Gunsten von Plebejern Gebrauch gemacht hat.<br />
Aber mit der Einführung der Republik wird der Satz wieder scharf betont, daß<br />
die Nutzung der Gemeinweide von Rechts wegen bloß dem Bürger besten Rechts,<br />
das heißt dem Patrizier zusteht; und wenn auch der Senat zu Gunsten der reichen<br />
in ihm mitvertretenen plebejischen Häuser nach wie vor Ausnahmen zuließ, so<br />
wurden doch die kleinen plebejischen Ackerbesitzer und die Tagelöhner, die eben<br />
die Weide am nötigsten brauchten, in dem Mitgenuß beeinträchtigt. Es war ferner<br />
bisher für das auf die gemeine Weide aufgetriebene Vieh ein Hutgeld erlegt<br />
worden, das zwar mäßig genug war, um das Recht, auf diese Weide zu treiben,<br />
immer noch als Vorrecht erscheinen zu lassen, aber doch dem gemeinen Säckel<br />
eine nicht unansehnliche Einnahme abwarf. Die patrizischen Quästoren erhoben<br />
dasselbe jetzt säumig und nachsichtig und ließen allmählich es ganz schwinden.<br />
Bisher hatte man, namentlich wenn durch Eroberung neue Domänen gewonnen<br />
waren, regelmäßig Landauslegungen angeordnet, bei denen alle ärmeren Bürger<br />
und Insassen berücksichtigt wurden; nur dasjenige Land, das zum Ackerbau sich<br />
nicht eignete, ward zu der gemeinen Weide geschlagen. Diese Assignationen wagte<br />
man zwar nicht ganz zu unterlassen und noch weniger, sie bloß zu Gunsten der<br />
Reichen vorzunehmen; allein sie wurden seltener und karger und an ihre Stelle trat<br />
das verderbliche Okkupationssystem, das heißt die Überlassung der Domänengüter<br />
nicht zum Eigentum oder zur förmlichen Pacht auf bestimmte Zeitfrist, sondern zur<br />
Sondernutzung bis weiter an den ersten Okkupanten und dessen Rechtsnachfolger,<br />
sodaß dem Staate die Rücknahme jederzeit freistand und der Inhaber die zehnte<br />
Garbe oder von Öl und Wein den fünften Teil des Ertrages an die Staatskasse abzuliefern<br />
hatte. Es war dies nichts anderes als das früher beschriebene Precarium,<br />
angewandt auf Staatsdomänen und mag, namentlich als transitorische Einrichtung<br />
bis zur Durchführung der Assignation, auch früher schon bei dem Gemeinlande<br />
vorgekommen sein. Jetzt indes wurde dieser Okkupationsbesitz nicht bloß dauernd,<br />
sondern es griffen auch, wie natürlich, nur die privilegierten Personen oder<br />
deren Günstlinge zu und der Zehnte und Fünfte ward mit derselben Lässigkeit eingetrieben<br />
wie das Hutgeld. So traf den mittleren und kleinen Grundbesitz ein dreifacher<br />
Schlag: die gemeinen Bürgernutzungen gingen ihm verloren; die Steuerlast<br />
stieg dadurch, daß die Domanialgefälle nicht mehr ordentlich in die gemeine Kasse<br />
flossen; und die Landauslegungen stockten, die für das agrikole Proletariat, etwa<br />
wie heutzutage ein großartiges und fest reguliertes Emigrationssystem es tun wür-<br />
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