Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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82 KAPITEL 4. STURZ DER ETRUSKISCHEN MACHT, DIE KELTEN<br />
allen Ecken an. Aber die Belagerungskunst verstanden sie nicht und die Blockade<br />
des steilen Burgfelsens war langwierig und schwierig, da die Lebensmittel für<br />
den großen Heeresschwarm nur durch bewaffnete Streifpartien sich herbeischaffen<br />
ließen und diesen die benachbarten latinischen Bürgerschaften, namentlich die<br />
Ardeaten, häufig mit Mut und Glück sich entgegenwarfen. Dennoch harrten die<br />
Kelten mit einer unter ihren Verhältnissen beispiellosen Energie sieben Monate<br />
unter dem Felsen aus und schon begannen der Besatzung, die der Überrumpelung<br />
in einer dunkeln Nacht nur durch das Schnattern der Heiligen Gänse im kapitolinischen<br />
Tempel und das zufällige Erwachen des tapferen Marcus Manlius entgangen<br />
war, die Lebensmittel auf die Neige zu geben, als den Kelten ein Einfall der Veneter<br />
in das neu gewonnene senonische Gebiet am Padus gemeldet ward und sie<br />
bewog, das ihnen für den Abzug gebotene Lösegeld anzunehmen. Das höhnische<br />
Hinwerfen des gallischen Schwertes, daß es aufgewogen werde vom römischen<br />
Golde, bezeichnete sehr richtig die Lage der Dinge. Das Eisen der Barbaren hatte<br />
gesiegt, aber sie verkauften ihren Sieg und gaben ihn damit verloren.<br />
Die fürchterliche Katastrophe der Niederlage und des Brandes, der 18. Juli<br />
und der Bach der Allia, der Platz, wo die Heiligtümer vergraben gewesen und wo<br />
die Überrumpelung der Burg war abgeschlagen worden – all die Einzelheiten dieses<br />
unerhörten Ereignisses gingen über von der Erinnerung der Zeitgenossen in<br />
die Phantasie der Nachwelt, und noch wir begreifen es kaum, daß wirklich schon<br />
zwei Jahrtausende verflossen sind, seit jene welthistorischen Gänse sich wachsamer<br />
bewiesen als die aufgestellten Posten. Und doch – mochte in Rom verordnet<br />
werden, daß in Zukunft bei einem Einfall der Kelten keines der gesetzlichen<br />
Privilegien vom Kriegsdienst befreien solle; mochte man dort rechnen nach den<br />
Jahren von der Eroberung der Stadt; mochte diese Begebenheit widerhallen in der<br />
ganzen damaligen zivilisierten Welt und ihren Weg finden bis in die griechischen<br />
Annalen: die Schlacht an der Allia mit ihren Resultaten ist dennoch kaum den folgenreichen<br />
geschichtlichen Begebenheiten beizuzählen. Sie ändert eben nichts in<br />
den politischen Verhältnissen. Wie die Gallier wieder abgezogen sind mit ihrem<br />
Golde, das nur eine spät und schlecht erfundene Erzählung den Helden Camillus<br />
wieder nach Rom zurückbringen läßt; wie die Flüchtigen sich wieder heimgefunden<br />
haben, der wahnsinnige Gedanke einiger mattherziger Klugheitspolitiker, die<br />
Bürgerschaft nach Veii überzusiedeln, durch Camillus’ hochsinnige Gegenrede beseitigt<br />
ist, die Häuser eilig und unordentlich – die engen und krummen Straßen<br />
Roms schrieben von dieser Zeit sich her – sich aus den Trümmern erheben, steht<br />
auch Rom wieder da in seiner alten gebietenden Stellung; ja es ist nicht unwahrscheinlich,<br />
daß dieses Ereignis wesentlich, wenn auch nicht im ersten Augenblick,<br />
dazu beigetragen hat, dem Gegensatz zwischen Etrurien und Rom seine Schärfe zu<br />
nehmen und vor allem zwischen Latium und Rom die Bande der Einigkeit fester<br />
zu knüpfen. Der Kampf der Gallier und Römer ist, ungleich dem zwischen Rom