Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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160 KAPITEL 7. KÖNIG PYRRHOS GEGEN ROM<br />
mutlich um dieselbe Zeit ward die den bisher gegründeten latinischen Gemeinden<br />
gewidmete volle Freizügigkeit, die Befugnis eines jeden ihrer Bürger, durch Übersiedelung<br />
nach Rom das volle Bürgerrecht daselbst zu gewinnen, für die später eingerichteten<br />
latinischen Pflanzstädte beschränkt auf diejenigen Personen, welche in<br />
ihrer Heimat zu dem höchsten Gemeindeamt gelangt waren; nur diesen blieb es gestattet,<br />
ihr koloniales Bürgerrecht mit dem römischen zu vertauschen. Es erscheint<br />
hier deutlich die vollständige Umänderung der Stellung Roms. Solange Rom noch,<br />
wenn auch die erste, doch nur eine der vielen italischen Stadtgemeinden war, wurde<br />
der Eintritt selbst in das unbeschränkte römische Bürgerrecht durchgängig als<br />
ein Gewinn für die aufnehmende Gemeinde betrachtet und die Gewinnung dieses<br />
Bürgerrechts den Nichtbürgern auf alle Weise erleichtert, ja oft als Strafe ihnen<br />
auferlegt. Seit aber die römische Gemeinde allein herrschte und die übrigen alle ihr<br />
dienten, kehrte das Verhältnis sich um: die römische Gemeinde fing an, ihr Bürgerrecht<br />
eifersüchtig zu bewahren, und machte darum der alten vollen Freizügigkeit<br />
ein Ende; obwohl die Staatsmänner dieser Zeit doch einsichtig genug waren, wenigstens<br />
den Spitzen und Kapazitäten der höchstgestellten Untertanengemeinden<br />
den Eintritt in das römische Bürgerrecht gesetzlich offenzuhalten. Auch die Latiner<br />
also hatten es zu empfinden, daß Rom, nachdem es hauptsächlich durch sie sich<br />
Italien unterworfen hatte, jetzt ihrer nicht mehr so wie bisher bedurfte.<br />
Das Verhältnis endlich der nichtlatinischen Bundesgemeinden unterlag selbstverständlich<br />
den mannigfachsten Normen, wie eben der einzelne Bundesvertrag sie<br />
festgesetzt hatte. Manche dieser ewigen Bündnisse, wie zum Beispiel die der hernikischen<br />
Gemeinden, gingen über in völlige Gleichstellung mit den latinischen.<br />
Andere, bei denen dies nicht der Fall war, wie die von Neapel, Nola, Herakleia, gewährten<br />
verhältnismäßig sehr umfassende Rechte; wieder andere, wie zum Beispiel<br />
die tarentinischen und die samnitischen Verträge, mögen sich der Zwingherrschaft<br />
genähert haben.<br />
Als allgemeine Regel kann wohl angenommen werden, daß nicht bloß die<br />
latinische und hernikische, von denen es überliefert ist, sondern sämtliche italische<br />
Völkergenossenschaften, namentlich auch die samnitische und die lucanische,<br />
rechtlich aufgelöst oder doch zur Bedeutungslosigkeit abgeschwächt wurden<br />
und durchschnittlich keiner italischen Gemeinde mit anderen italischen die<br />
Verkehrs- oder Ehegemeinschaft oder gar das gemeinsame Beratschlagungs- und<br />
Beschlußfassungsrecht zustand. Ferner wird, wenn auch in verschiedener Weise,<br />
dafür gesorgt worden sein, daß die Wehr- und Steuerkraft der sämtlichen italischen<br />
Gemeinden der führenden zur Disposition stand. Wenngleich auch ferner<br />
vermögen wir übrigens nicht völlig zu bestimmen. Wenn die Ehegemeinschaft, wie es nicht unwahrscheinlich,<br />
aber freilich nichts weniger als ausgemacht ist (oben 1, 116; Diod. p. 590, 62. Frg. Vat. p.<br />
130 Dind.), ein Bestandteil der ursprünglichen bundesgenössischen Rechtsgleichheit war, so ist sie<br />
jedenfalls den jüngeren nicht mehr zugestanden worden.