Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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gesonderten Zeichen gemangelt hatte und die im Lateinischen zwar ursprünglich<br />
geschieden waren, aber zusammenzufallen drohten, traten wieder auseinander, ja<br />
im Oskischen wird sogar das i in zwei lautlich und graphisch verschiedene Zeichen<br />
aufgelöst; endlich schließt die Schreibung sich der Aussprache wieder genauer an,<br />
wie zum Beispiel bei den Römern vielfältig s durch r ersetzt ward. Die chronologischen<br />
Spuren führen für diese Reaktion auf das fünfte Jahrhundert; das lateinische<br />
g zum Beispiel war um das Jahr 300 (450) noch nicht, wohl aber um das Jahr 500<br />
(250) vorhanden; der erste des Papirischen Geschlechts, der sich Papirius statt Papisius<br />
nannte, war der Konsul des Jahres 418 (336); die Einführung jenes r anstatt<br />
des s wird dem Appius Claudius, Zensor 442 (312) beigelegt. Ohne Zweifel steht<br />
die Zurückführung einer feineren und schärferen Aussprache im Zusammenhang<br />
mit dem steigenden Einfluß der griechischen Zivilisation, welcher eben in dieser<br />
Zeit sich auf allen Gebieten des italischen Wesens bemerklich macht; und wie die<br />
Silbermünzen von Capua und Nola weit vollkommener sind als die gleichzeitigen<br />
Asse von Ardea und Rom, so scheint auch Schrift und Sprache rascher und<br />
vollständiger sich im kampanischen Lande reguliert zu haben als in Latium. Wie<br />
wenig trotz der darauf gewandten Mühe die römische Sprache und Schreibweise<br />
noch am Schlusse dieser Epoche festgestellt war, beweisen die aus dem Ende des<br />
fünften Jahrhunderts erhaltenen Inschriften, in denen namentlich in der Setzung<br />
oder Weglassung von m, d und s im Auslaut und n im Inlaut und in der Unterscheidung<br />
der Vokale o u und e i die größte Willkür herrscht 9 ; es ist wahrscheinlich, daß<br />
gleichzeitig die Sabeller hierin schon weiter waren, während die Umbrer von dem<br />
regenerierenden hellenischen Einfluß nur wenig berührt worden sind.<br />
Durch diese Steigerung der Jurisprudenz und Grammatik muß auch der elementare<br />
Schulunterricht, der an sich wohl schon früher aufgekommen war, eine<br />
gewisse Steigerung erfahren haben. Wie Homer das älteste griechische, die Zwölf<br />
Tafeln das älteste römische Buch waren, so wurden auch beide in ihrer Heimat die<br />
wesentliche Grundlage des Unterrichts und das Auswendiglernen des juristischpolitischen<br />
Katechismus ein Hauptstück der römischen Kindererziehung. Neben<br />
den lateinischen “Schreibmeistern” (litteratores) gab es natürlich, seit die Kunde<br />
des Griechischen für jeden Staats- und Handelsmann Bedürfnis war, auch griechi-<br />
9 In den beiden Grabschriften des Lucius Scipio, Konsul 456 (298), und des gleichnamigen Konsuls<br />
vom Jahre 495 (259) fehlen m und d im Auslaut der Beugungen regelmäßig, doch findet sich<br />
einmal Luciom und einmal Gnaivod; es steht nebeneinander im Nominativ Cornelio und filios; cosol,<br />
cesor und consol censor; aidiles, dedet, ploirume (= plurimi), hec (Nom. Sing.) neben aidilis, cepit,<br />
quei, hic. Der Rhotazismus ist bereits vollständig durchgeführt; man findet duonoro (= bonorum),<br />
ploirume, nicht wie im saliarischen Liede foedesum, plusima. Unsere inschriftlichen Überreste reichen<br />
überhaupt im allgemeinen nicht über den Rhotazismus hinauf; von dem älteren s begegnen nur<br />
einzelne Spuren, wie noch späterhin honos, labos neben honor und labor und die ähnlichen Frauenvornamen<br />
Maio (maios, maior) und Mino auf neu gefundenen Grabschriften von Praeneste.