Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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wie sie war, und zwar wurden auch die Eingeschriebenen in dieselbe eingerechnet;<br />
woraus man wohl auch auf das numerische Zusammenschwinden des Patriziats zu<br />
schließen berechtigt ist 4 .<br />
Es blieb, wie man sieht, in dem römischen Gemeinwesen selbst bei Umwandlung<br />
der Monarchie in die Republik soweit immer möglich beim alten; soweit eine<br />
Staatsumwälzung überhaupt konservativ sein kann, ist diese es gewesen und keines<br />
der konstitutiven Elemente des Gemeinwesens durch sie eigentlich über den<br />
Haufen geworfen worden. Es war das bezeichnend für den Charakter der gesamten<br />
Bewegung. Die Vertreibung der Tarquinier war nicht, wie die kläglichen, tief<br />
verfälschten Berichte sie darstellen, das Werk eines von Mitleid und Freiheitsenthusiasmus<br />
berauschten Volkes, sondern das Werk zweier großer, bereits im Ringen<br />
begriffener und der stetigen Fortdauer ihres Kampfes klar sich bewußter politischer<br />
Parteien, der Altbürger und der Insassen, welche, wie die englischen Tories und die<br />
Whigs im Jahre 1688, durch die gemeinsame Gefahr das Gemeinwesen in die Willkürregierung<br />
eines Herrn sich umwandeln zu sehen, auf einen Augenblick vereinigt<br />
wurden, um dann sofort wieder sich zu entzweien. Die Altbürgerschaft konnte ohne<br />
die Neubürger des Königtums sich nicht entledigen; aber die Neubürger waren<br />
bei weitem nicht mächtig genug, um jener mit einem Schlag das Heft aus den Händen<br />
zu winden. Solche Transaktionen beschränken sich notwendigerweise auf das<br />
geringste Maß gegenseitiger, durch mühsames Abdingen gewonnener Konzessionen<br />
und lassen die Zukunft entscheiden, wie das Schwergewicht der konstitutiven<br />
Elemente weiter sich stellen, wie sie ineinandergreifen oder einander entgegenwirken<br />
werden. Darum verkennt man die Tragweite der ersten römischen Revolution<br />
durchaus, wenn man in ihr bloß die unmittelbaren Neuerungen, etwa bloß eine<br />
Veränderung in der Dauer der höchsten Magistratur sieht; die mittelbaren Folgen<br />
waren auch hier bei weitem die Hauptsache und wohl gewaltiger, als selbst ihre<br />
Urheber sie ahnten.<br />
Dies war die Zeit, wo, um es mit einem Worte zu sagen, die römische Bürgerschaft<br />
im späteren Sinne des Wortes entstand. Die Plebejer waren bisher Insassen<br />
gewesen, welche man wohl zu den Steuern und Lasten mit heranzog, die aber dennoch<br />
in den Augen des Gesetzes wesentlich nichts waren als geduldete Fremdlinge<br />
und deren Kreis gegen die eigentlichen Ausländer scharf abzustecken kaum nötig<br />
scheinen mochte. Jetzt wurden sie als wehrpflichtige Bürger in die Listen eingeschrieben;<br />
und wenn sie auch der Rechtsgleichheit noch fern standen, immer noch<br />
die Altbürger zu den dem Rat der Alten verfassungsmäßig zustehenden Autoritätshandlungen<br />
ausschließlich befugt und zu den bürgerlichen Ämtern und Priestertü-<br />
4 Daß die ersten Konsuln 164 Plebejer in den Senat nahmen, ist kaum als geschichtliche Tatsache<br />
zu betrachten, sondern eher ein Zeugnis dafür, daß die späteren römischen Archäologen nicht mehr<br />
als 136 römische Adelsgeschlechter nachzuweisen vermochten (<strong>Römische</strong> Forschungen, Bd. 1, S.<br />
121).<br />
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