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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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Icilius, welcher Spruch das Mädchen den Ihrigen entriß, um sie unfrei und rechtlos<br />

zu machen und den Vater bewog, seiner Tochter auf offenem Markt das Messer<br />

selber in die Brust zu stoßen, um sie der gewissen Schande zu entreißen. Während<br />

das Volk erstarrt ob der unerhörten Tat die Leiche des schönen Mädchens umstand,<br />

befahl der Dezemvir seinen Bütteln, den Vater und alsdann den Bräutigam vor seinen<br />

Stuhl zu führen, um ihm, von dessen Spruch keine Berufung galt, sofort Rede<br />

zu stehen wegen ihrer Auflehnung gegen seine Gewalt. Nun war das Maß voll. Geschützt<br />

von den brausenden Volksmassen entziehen der Vater und der Bräutigam<br />

des Mädchens sich den Häschern des Gewaltherrn, und während in Rom der Senat<br />

zittert und schwankt, erscheinen die beiden mit zahlreichen Zeugen der furchtbaren<br />

Tat in den beiden Lagern. Das Unerhörte wird berichtet; vor allen Augen öffnet sich<br />

die Kluft, die der mangelnde tribunizische Schutz in der Rechtssicherheit gelassen<br />

hat, und was die Väter getan, wiederholen die Söhne. Abermals verlassen die Heere<br />

ihre Führer; sie ziehen in kriegerischer Ordnung durch die Stadt und abermals<br />

auf den heiligen Berg, wo sie abermals ihre Tribune sich ernennen. Immer noch<br />

weigern die Dezemvirn die Niederlegung ihrer Gewalt; da erscheint das Heer mit<br />

seinen Tribunen in der Stadt und lagert sich auf dem Aventin. Jetzt endlich, wo<br />

der Bürgerkrieg schon da war und der Straßenkampf stündlich beginnen konnte,<br />

jetzt entsagen die Zehnmänner ihrer angemaßten und entehrten Gewalt, und die<br />

Konsuln Lucius Valerius und Marcus Horatius vermitteln einen zweiten Vergleich,<br />

durch den das Volkstribunal wieder hergestellt wurde. Die Anklagen gegen die Dezemvirn<br />

endigten damit, daß die beiden schuldigsten, Appius Claudius und Spurius<br />

Oppius, im Gefängnis sich das Leben nahmen, die acht anderen ins Exil gingen und<br />

der Staat ihr Vermögen einzog. Weitere gerichtliche Verfolgungen hemmte der kluge<br />

und gemäßigte Volkstribun Marcus Duilius durch den rechtzeitigen Gebrauch<br />

seines Veto.<br />

So lautet die Erzählung, wie der Griffel der römischen Aristokraten sie aufgezeichnet<br />

hat; unmöglich aber kann, auch von den Nebenumständen abgesehen,<br />

die große Krise, der die Zwölf Tafeln entsprangen, in solche romantische Abenteuerlichkeiten<br />

und politische Unbegreiflichkeiten ausgelaufen sein. Das Dezemvirat<br />

war nach der Abschaffung des Königtums und der Einsetzung des Volkstribunats<br />

der dritte große Sieg der Plebs, und die Erbitterung der Gegenpartei gegen die<br />

Institution wie gegen ihr Haupt Appius Claudius ist erklärlich genug. Die Plebejer<br />

hatten damit das passive Wahlrecht zu dem höchsten Gemeindeamt und das gemeine<br />

Landrecht errungen; und nicht sie waren es, die Ursache hatten, sich gegen die<br />

neue Magistratur aufzulehnen und mit Waffengewalt das rein patrizische Konsularregiment<br />

zu restaurieren. Dies Ziel kann nur von der Adelspartei verfolgt worden<br />

sein, und wenn die patrizisch-plebejischen Dezemvirn den Versuch gemacht haben,<br />

sich über die Zeit hinaus im Amte zu behaupten, so ist sicherlich dagegen in<br />

erster Reihe der Adel in die Schranken getreten; wobei er freilich nicht versäumt<br />

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