Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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der Tendenz, die ganze Barbarenwelt darzustellen als von den Griechen entweder<br />
ausgegangen oder doch unterworfen; und früh zog sie in diesem Sinn ihre Fäden<br />
auch über den Westen. Für Italien sind weniger die Herakles- und Argonautensage<br />
von Bedeutung geworden, obwohl bereits Hekatäos ( E˛ nach 257 497) die Säulen<br />
des Herakles kennt und die Argo aus dem Schwarzen Meer in den Atlantischen<br />
Ozean, aus diesem in den Nil und zurück in das Mittelmeer führt, als die an den<br />
Fall Ilions anknüpfenden Heimfahrten. Mit der ersten aufdämmernden Kunde von<br />
Italien beginnt auch Diomedes im Adriatischen, Odysseus im Tyrrhenischen Meer<br />
zu irren, wie denn wenigstens die letztere Lokalisierung schon der Homerischen<br />
Fassung der Sage nahe genug lag. Bis in die Zeiten Alexanders hinein haben die<br />
Landschaften am Tyrrhenischen Meer in der hellenischen Fabulierung zum Gebiet<br />
der Odysseussage gehört; noch Ephoros, der mit dem Jahre 414 (340) schloß, und<br />
der sogenannte Skylax (um 418 336) folgen wesentlich dieser. Von troischen Seefahrten<br />
weiß die ganze ältere Poesie nichts; bei Homer herrscht Aeneas nach Ilions<br />
Fall über die in der Heimat zurückbleibenden Troer. Erst der große Mythenwandler<br />
Stesichoros (122-201 632-553) führte in seiner “Zerstörung Ilions” den Aeneas in<br />
das Westland, um die Fabelwelt seiner Geburts- und seiner Wahlheimat, Siziliens<br />
und Unteritaliens, durch den Gegensatz der troischen Helden gegen die hellenischen<br />
poetisch zu bereichern. Von ihm rühren die seitdem feststehenden dichterischen<br />
Umrisse dieser Fabel her, namentlich die Gruppe des Helden, wie er mit<br />
der Gattin und dem Söhnchen und dem alten, die Hausgötter tragenden Vater aus<br />
dem brennenden Ilion davongeht, und die wichtige Identifizierung der Troer mit<br />
den sizilischen und italischen Autochthonen, welche besonders in dem troischen<br />
Trompeter Misenos, dem Eponymos des Misenischen Vorgebirges, schon deutlich<br />
hervortritt7 . Den alten Dichter leitete dabei das Gefühl, daß die italischen Barbaren<br />
den Hellenen minder fern als die übrigen standen und das Verhältnis der Hellenen<br />
und der Italiker dichterisch angemessen dem der homerischen Achäer und Troer<br />
gleich gefaßt werden konnte. Bald mischt sich denn diese neue Troerfabel mit der<br />
älteren Odysseussage, indem sie zugleich sich weiter über Italien verbreitet. Nach<br />
Hellanikos (schrieb um 350 400) kamen Odysseus und Aeneas durch die thrakische<br />
und molottische (epeirotische) Landschaft nach Italien, wo die mitgeführten<br />
troischen Frauen die Schiffe verbrennen und Aeneas die Stadt Rom gründet und sie<br />
nach dem Namen einer dieser Troerinnen benennt; ähnlich, nur minder unsinnig,<br />
erzählte Aristoteles (370-432 384-322), daß ein achäisches, an die latinische Küste<br />
verschlagenes Geschwader von den troischen Sklavinnen angezündet worden<br />
und aus den Nachkommen der also zum Dableiben genötigten achäischen Männer<br />
7 Auch die troischen Kolonien“ auf Sizilien, die Thukydides, Pseudoskylax und andere nennen,<br />
sowie die Bezeichnung Capuas als einer troischen Gründung bei Hekataeos werden auf Stesichoros<br />
und auf dessen Identifizierung der italischen und sizilischen Eingeborenen mit den Troern zurückgehen.