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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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204 KAPITEL 9. KUNST UND WISSENSCHAFT<br />

die flache Decke und das schräge Dach ausreichen mußten; allein gar wohl kann<br />

der Keilschnitt eine jüngere, aus der rationellen Mechanik hervorgegangene Erfindung<br />

der Hellenen sein, wie ihn denn die griechische Tradition auf den Physiker<br />

Demokritos (294-397 460-357) zurückführt. Mit dieser Priorität des hellenischen<br />

Bogenbaus vor dem römischen ist auch vereinbar, was vielfach und vielleicht mit<br />

Recht angenommen wird, daß die Gewölbe an der römischen Hauptkloake und<br />

dasjenige, welches über das alte, ursprünglich pyramidalisch gedeckte kapitolinische<br />

Quellhaus späterhin gespannt ward, die ältesten erhaltenen Bauwerke sind,<br />

bei welchen das Bogenprinzip zur Anwendung gekommen ist; denn es ist mehr als<br />

wahrscheinlich, daß diese Bogenbauten nicht der Königs-, sondern der republikanischen<br />

Periode angehören und in der Königszeit man auch in Italien nur flache<br />

oder überkragte Dächer gekannt hat. Allein wie man auch über die Erfindung des<br />

Bogens selbst denken mag, die Anwendung im großen ist überall und vor allem<br />

in der Baukunst wenigstens ebenso bedeutend wie die Aufstellung des Prinzips;<br />

und diese gebührt unbestritten den Römern. Mit dem fünften Jahrhundert beginnt<br />

der wesentlich auf den Bogen gegründete Tor-, Brücken- und Wasserleitungsbau,<br />

der mit dem römischen Namen fortan unzertrennlich verknüpft ist. Verwandt ist<br />

hiermit noch die Entwicklung der den Griechen fremden, dagegen bei den Römern<br />

vorzugsweise beliebten und besonders für die ihnen eigentümlichen Kulte, namentlich<br />

den nicht griechischen der Vesta, angewendeten Form des Rundtempels und<br />

des Kuppeldachs 12 .<br />

Etwas Ähnliches mag von manchen untergeordneten, aber darum nicht unwichtigen<br />

Fertigkeiten auf diesem Gebiet gelten. Von Originalität oder gar von Kunstübung<br />

kann dabei nicht die Rede sein; aber auch aus den festgefügten Steinplatten<br />

der römischen Straßen, aus ihren unzerstörbaren Chausseen, aus den breiten, klingend<br />

harten Ziegeln, aus dem ewigen Mörtel ihrer Gebäude redet die unverwüstliche<br />

Solidität, die energische Tüchtigkeit des römischen Wesens.<br />

Wie die tektonischen, und womöglich noch mehr, sind die bildenden und zeichnenden<br />

Künste auf italischem Boden nicht so sehr durch griechische Anregung<br />

12 Eine Nachbildung der ältesten Hausform, wie man wohl gemeint hat, ist der Rundtempel sicher<br />

nicht; vielmehr geht der Hausbau durchaus vom Viereck aus. Die spätere römische Theologie knüpfte<br />

diese Rundform an die Vorstellung des Erdballs oder des kugelförmig die Zentralsonne umgebenden<br />

Weltalls (Fest. v. rutundam p. 282; Plut. Num. 11; Ov. fast. 6, 267f.); in der Tat ist dieselbe wohl<br />

einfach darauf zurückzuführen, daß für die zum Abhegen und Aufbewahren bestimmte Räumlichkeit<br />

als die bequemste wie die sicherste Form stets die kreisrunde gegolten hat. Darauf beruhten die<br />

runden Schatzhäuser der Hellenen ebenso wie der Rundbau der römischen Vorratskammer oder des<br />

Penatentempels; es war natürlich auch die Feuerstelle – das heißt den Altar der Vesta – und die<br />

Feuerkammer – das heißt den Vestatempel – rund anzulegen, so gut wie dies mit der Zisterne und<br />

der Brunnenfassung (puteal) geschah. Der Rundbau an sich ist graecoitalisch wie der Quadratbau<br />

und jener der Kammer eigen, wie dieser dem Wohnhaus; aber die architektonische und religiöse<br />

Entwicklung des einfachen Tholos zum Rundtempel mit Pfeilern und Säulen ist latinisch.

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