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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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190 KAPITEL 9. KUNST UND WISSENSCHAFT<br />

einmal am Schluß des Festes stattfinden zu lassen; an den übrigen Tagen war es<br />

wohl zunächst der Menge überlassen, sich selber ein Fest zu geben, obwohl Musikanten,<br />

Tänzer, Seilgänger, Taschenspieler, Possenreißer und dergleichen Leute<br />

mehr nicht verfehlt haben werden, gedungen oder nicht gedungen, dabei sich einzufinden.<br />

Aber um das Jahr 390 (364) trat eine wichtige Veränderung ein, welche<br />

mit der vielleicht gleichzeitig erfolgten Fixierung und Verlängerung des Festes in<br />

Zusammenhang stehen wird: man schlug von Staats wegen während der ersten drei<br />

Tage im Rennplatz ein Brettergerüst auf und sorgte für angemessene Vorstellungen<br />

auf demselben zur Unterhaltung der Menge. Um indes nicht auf diesem Wege zu<br />

weit geführt zu werden, wurde für die Kosten des Festes eine feste Summe von<br />

200000 Assen (14500 Taler) ein für allemal aus der Staatskasse ausgeworfen und<br />

diese ist auch bis auf die Punischen Kriege nicht gesteigert worden; den etwaigen<br />

Mehrbetrag mußten die Ädilen, welche diese Summe zu verwenden hatten, aus ihrer<br />

Tasche decken und es ist nicht wahrscheinlich, daß sie in dieser Zeit oft und beträchtlich<br />

vom Eigenen zugeschossen haben. Daß die neue Bühne im allgemeinen<br />

unter griechischem Einfluß stand, beweist schon ihr Name (scaena ����´�). Sie war<br />

zwar zunächst lediglich für Spielleute und Possenreißer jeder Art bestimmt, unter<br />

denen die Tänzer zur Flöte, namentlich die damals gefeierten etruskischen, wohl<br />

noch die vornehmsten sein mochten; indes war nun doch eine öffentliche Bühne in<br />

Rom entstanden und bald öffnete dieselbe sich auch den römischen Dichtern.<br />

Denn an Dichtern fehlte es in Latium nicht. Latinische “Vaganten” oder “Bänkelsänger”<br />

(grassatores, spatiatores) zogen von Stadt zu Stadt und von Haus zu<br />

Haus und trugen ihre Lieder (saturae) mit gestikulierendem Tanz zur Flötenbegleitung<br />

vor. Das Maß war natürlich das einzige, das es damals gab, das sogenannte<br />

saturnische. Eine bestimmte Handlung lag den Liedern nicht zugrunde, und ebensowenig<br />

scheinen sie dialogisiert gewesen zu sein; man wird sich dieselben nach<br />

dem Muster jener eintönigen, bald improvisierten, bald rezitierten Ballaten und<br />

Tarantellen vorstellen dürfen, wie man sie heute noch in den römischen Osterien<br />

zu hören bekommt. Dergleichen Lieder kamen denn auch früh auf die öffentliche<br />

Bühne und sind allerdings der erste Keim des römischen Theaters geworden. Aber<br />

diese Anfänge der Schaubühne sind in Rom nicht bloß, wie überall, bescheiden,<br />

sondern in bemerkenswerter Weise gleich von vornherein bescholten. Schon die<br />

Zwölf Tafeln treten dem üblen und nichtigen Singsang entgegen, indem sie nicht<br />

bloß auf Zauber-, sondern selbst auf Spottlieder, die man auf einen Mitbürger verfertigt<br />

oder ihm vor der Türe absingt, schwere Kriminalstrafen setzen und die Zuziehung<br />

von Klagefrauen bei der Bestattung verbieten. Aber weit strenger als durch<br />

die gesetzlichen Restriktionen ward die beginnende Kunstübung durch den sittlichen<br />

Bann getroffen, welchen der philisterhafte Ernst des römischen Wesens gegen<br />

diese leichtsinnigen und bezahlten Gewerbe schleuderte. “Das Dichterhandwerk”,<br />

sagt Cato, “war sonst nicht angesehen; wenn jemand damit sich abgab oder bei den

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