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Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com

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198 KAPITEL 9. KUNST UND WISSENSCHAFT<br />

und ihrer troischen Frauen die Latiner hervorgegangen seien. Damit mischten denn<br />

auch sich Elemente der einheimischen Sage, wovon der rege Verkehr zwischen Sizilien<br />

und Italien wenigstens gegen das Ende dieser Epoche schon die Kunde bis<br />

nach Sizilien verbreitet hatte; in der Version von Roms Entstehung, welche der<br />

Sizilianer Kallias um 465 (289) aufzeichnete, sind Odysseus-, Aeneas- und Romulusfabeln<br />

ineinandergeflossen 8 . Aber der eigentliche Vollender der später geläufigen<br />

Fassung dieser Troerwanderung ist Timaeos von Tauromenion auf Sizilien,<br />

der sein Geschichtswerk 492 (262) schloß. Er ist es, bei dem Aeneas zuerst Lavinium<br />

mit dem Heiligtum der troischen Penaten und dann erst Rom gründet; er muß<br />

auch schon die Tyrerin Elisa oder Dido in die Aeneassage eingeflochten haben, da<br />

bei ihm Dido Karthagos Gründerin ist und Rom und Karthago ihm in demselben<br />

Jahre erbaut heißen. Den Anstoß zu diesen Neuerungen gaben, neben der eben zu<br />

der Zeit und an dem Orte, wo Timaeos schrieb, sich vorbereitenden Krise zwischen<br />

den Römern und den Karthagern, offenbar gewisse nach Sizilien gelangte<br />

Berichte über latinische Sitten und Gebräuche; im wesentlichen aber kann die Erzählung<br />

nicht von Latium herübergenommen, sondern nur die eigene nichtsnutzige<br />

Erfindung der alten “Sammelvettel” gewesen sein. Timaeos hatte von dem uralten<br />

Tempel der Hausgötter in Lavinium erzählen hören; aber daß diese den Lavinaten<br />

als die von den Aeneiaden aus Ilion mitgebrachten Penaten gälten, hat er ebenso<br />

sicher von dem Seinigen hinzugetan, wie die scharfsinnige Parallele zwischen<br />

dem römischen Oktoberroß und dem Trojanischen Pferde und die genaue Inventarisierung<br />

der lavinischen Heiligtümer – es waren, sagt der würdige Gewährsmann,<br />

Heroldstäbe von Eisen und Kupfer und ein tönerner Topf troischer Fabrik! Freilich<br />

durften eben die Penaten noch Jahrhunderte später durchaus von keinem geschaut<br />

werden; aber Timaeos war einer von den Historikern, die über nichts so genau Bescheid<br />

wissen als über unwißbare Dinge. Nicht mit Unrecht riet Polybios, der den<br />

Mann kannte, ihm nirgend zu trauen, am wenigsten aber da, wo er – wie hier –<br />

sich auf urkundliche Beweisstücke berufe. In der Tat war der sizilische Rhetor, der<br />

das Grab des Thukydides in Italien zu zeigen wußte und der für Alexander kein<br />

höheres Lob fand, als daß er schneller mit Asien fertig geworden sei als Isokrates<br />

mit seiner “Lobrede”, vollkommen berufen, aus der naiven Dichtung der älteren<br />

Zeit den wüsten Brei zu kneten, welchem das Spiel des Zufalls eine so seltsame<br />

Zelebrität verliehen hat.<br />

Inwieweit die hellenische Fabulierung über italische Dinge, wie sie zunächst<br />

in Sizilien entstand, schon jetzt in Italien selbst Eingang gefunden hat, ist nicht<br />

mit Sicherheit zu bestimmen. Die Anknüpfungen an den odysseischen Kreis, wel-<br />

8 Nach ihm vermählte sich eine aus Ilion nach Rom geflüchtete Frau Rome oder vielmehr deren<br />

gleichnamige Tochter mit dem König der Aboriginer Latinos und gebar ihm drei Söhne, Romos,<br />

Romylos und Telegonos. Der letzte, der ohne Zweifel hier als Gründer von Tusculum und Praeneste<br />

auftritt, gehört bekanntlich der Odysseussage an.

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