Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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erschien, setzte es durch, daß für die Quästorenwahlen auch plebejische Bewerber<br />
zugelassen wurden und erwarb damit zum erstenmal zu dem aktiven Wahlrecht<br />
auch das passive für eines der ordentlichen Ämter. Mit Recht ward es auf der einen<br />
Seite als ein großer Sieg, auf der anderen als eine schwere Niederlage empfunden,<br />
daß fortan zu dem Kriegs- wie zu dem Stadtzahlmeisteramt der Patrizier und der<br />
Plebejer aktiv und passiv gleich wahlfähig waren.<br />
Trotz der hartnäckigsten Gegenwehr schritt der Adel doch nur von Verlust zu<br />
Verlust; die Erbitterung stieg, wie die Macht sank. Er hat es wohl noch versucht,<br />
die der Gemeinde vertragsmäßig zugesicherten Rechte geradezu anzutasten; aber<br />
es waren diese Versuche weniger berechnete Parteimanöver als Akte einer impotenten<br />
Rachsucht. So namentlich der Prozeß gegen Maelius, wie unsere allerdings<br />
wenig zuverlässige Überlieferung ihn berichtet. Spurius Maelius, ein reicher Plebejer,<br />
verkaufte während schwerer Teuerung (315 439) Getreide zu solchen Preisen,<br />
daß er den patrizischen Magazinvorsteher (praefectus annonae) Gaius Minucius<br />
beschämte und kränkte. Dieser beschuldigte ihn des Strebens nach der königlichen<br />
Gewalt; mit welchem Recht, können wir freilich nicht entscheiden, allein es ist<br />
kaum glaublich, daß ein Mann, der nicht einmal das Tribunat bekleidet hatte, ernstlich<br />
an die Tyrannis gedacht haben sollte. Indes die Behörden nahmen die Sache<br />
ernsthaft, und auf die Menge Roms hat der Zeterruf des Königtums stets ähnliche<br />
Wirkung geübt wie der Papstzeter auf die englischen Massen. Titus Quinctius<br />
Capitolinus, der zum sechstenmal Konsul war, ernannte den achtzigjährigen Lucius<br />
Quinctius Cincinnatus zum Diktator ohne Provokation, in offener Auflehnung<br />
gegen die beschworenen Gesetze. Maelius, vorgeladen, machte Miene, sich dem<br />
Befehl zu entziehen; da erschlug ihn der Reiterführer des Diktators, Gaius Servilius<br />
Ahala, mit eigener Hand. Das Haus des Ermordeten ward niedergerissen, das<br />
Getreide aus seinen Speichern dem Volke umsonst verteilt, und die seinen Tod zu<br />
rächen drohten, heimlich über die Seite gebracht. Dieser schändliche Justizmord,<br />
eine Schande mehr noch für das leichtgläubige und blinde Volk als für die tückische<br />
Junkerpartei, ging ungestraft hin; aber wenn diese gehofft hatte, damit das<br />
Provokationsrecht zu untergraben, so hatte sie umsonst die Gesetze verletzt und<br />
umsonst unschuldiges Blut vergossen.<br />
Wirksamer als alle übrigen Mittel erwiesen sich dem Adel Wahlintrigen und<br />
Pfaffentrug. Wie arg jene gewesen sein müssen, zeigt am besten, daß es schon<br />
322 (432) nötig schien, ein eigenes Gesetz gegen Wahlumtriebe zu erlassen, das<br />
natürlich nichts half. Konnte man nicht durch Korruption oder Drohung auf die<br />
Stimmberechtigten wirken, so taten die Wahldirektoren das übrige und ließen zum<br />
Beispiel so viele plebejische Kandidaten zu, daß die Stimmen der Opposition sich<br />
zersplitterten, oder ließen diejenigen von der Kandidatenliste weg, die die Majorität<br />
zu wählen beabsichtigte. Ward trotz alledem eine unbequeme Wahl durchgesetzt,<br />
so wurden die Priester befragt, ob bei derselben nicht eine Nichtigkeit in der Vögel-<br />
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