Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
wenigstens fortbestanden haben, etwa wie Ephesos und Milet griechisch blieben<br />
unter persischer Oberherrlichkeit. Mantua wenigstens, das durch seine Insellage<br />
geschützt war, war noch in der Kaiserzeit eine tuskische Stadt und auch in Atria<br />
am Po, wo zahlreiche Vasenfunde gemacht sind, scheint das etruskische Wesen<br />
fortbestanden zu haben; noch die unter dem Namen des Skylax bekannte, um 418<br />
(336) abgefaßte Küstenbeschreibung nennt die Gegend von Atria und Spina tuskisches<br />
Land. Nur so erklärt sich auch, wie etruskische Korsaren bis weit ins fünfte<br />
Jahrhundert hinein das Adriatische Meer unsicher machen konnten, und weshalb<br />
nicht bloß Dionysios von Syrakus die Küsten desselben mit Kolonien bedeckte,<br />
sondern selbst Athen noch um 429 (325), wie eine kürzlich entdeckte merkwürdige<br />
Urkunde lehrt, zum Schutz der Kauffahrer gegen die tyrrhenischen Kaper die<br />
Anlage einer Kolonie im Adriatischen Meere beschloß.<br />
Aber mochte hier mehr oder weniger von etruskischem Wesen sich behaupten,<br />
es waren das einzelne Trümmer und Splitter der früheren Machtentwicklung; der<br />
etruskischen Nation kam nicht mehr zugute, was hier im friedlichen Verkehr oder<br />
im Seekrieg von einzelnen noch etwa erreicht ward. Dagegen gingen wahrscheinlich<br />
von diesen halbfreien Etruskern die Anfänge derjenigen Zivilisation aus, die<br />
wir späterhin bei den Kelten und überhaupt den Alpenvölkern finden. Schon daß<br />
die Keltenschwärme in den lombardischen Ebenen, mit dem sogenannten Skylax<br />
zu reden, das Kriegerleben aufgaben und sich bleibend ansässig machten, gehört<br />
zum Teil hierher; aber auch die Anfänge der Handwerke und Künste und das Alphabet<br />
sind den lombardischen Kelten, ja den Alpenvölkern bis in die heutige Steiermark<br />
hinein durch die Etrusker zugekommen.<br />
Also blieben nach dem Verlust der Besitzungen in Kampanien und der ganzen<br />
Landschaft nördlich vom Apennin und südlich vom Ciminischen Walde den Etruskern<br />
nur sehr beschränkte Grenzen: die Zeiten der Macht und des Aufstrebens<br />
waren für sie auf immer vorüber. In engster Wechselwirkung mit diesem äußeren<br />
Sinken steht der innere Verfall der Nation, zu dem die Keime freilich wohl schon<br />
weit früher gelegt worden waren. Die griechischen Schriftsteller dieser Zeit sind<br />
voll von Schilderungen der maßlosen Üppigkeit des etruskischen Lebens: unteritalische<br />
Dichter des fünften Jahrhunderts der Stadt preisen den tyrrhenischen Wein<br />
und die gleichzeitigen Geschichtschreiber Timäos und Theopomp entwerfen Bilder<br />
von der etruskischen Weiberzucht und der etruskischen Tafel, welche der ärgsten<br />
byzantinischen und französischen Sittenlosigkeit nichts nachgeben. Wie wenig beglaubigt<br />
das einzelne in diesen Berichten auch ist, so scheint doch mindestens die<br />
Angabe begründet zu sein, daß die abscheuliche Lustbarkeit der Fechterspiele, der<br />
Krebsschaden des späteren Rom und überhaupt der letzten Epoche des Altertums,<br />
zuerst bei den Etruskern aufgekommen ist; und jedenfalls lassen sie im ganzen<br />
keinen Zweifel an der tiefen Entartung der Nation. Auch die politischen Zustände<br />
derselben sind davon durchdrungen. So weit unsere dürftige Kunde reicht, finden<br />
85