Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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78 KAPITEL 4. STURZ DER ETRUSKISCHEN MACHT, DIE KELTEN<br />
eine derselben, Sigovesus, über den Rhein in der Richtung auf den Schwarzwald<br />
zu vorgedrungen, der zweite, Bellovesus, über die Graischen Alpen (den Kleinen<br />
St. Bernhard) in das Potal hinabgestiegen. Von jenem stamme die gallische Niederlassung<br />
an der mittleren Donau, von diesem die älteste keltische Ansiedlung<br />
in der heutigen Lombardei, der Gau der Insubrer mit dem Hauptort Mediolanum<br />
(Mailand). Bald sei ein zweiter Schwarm gefolgt, der den Gau der Cenomaner mit<br />
den Städten Brixia (Brescia) und Verona begründet habe. Unaufhörlich strömte es<br />
fortan über die Alpen in das schöne ebene Land; die keltischen Stämme samt den<br />
von ihnen aufgetriebenen und fortgerissenen ligurischen entrissen den Etruskern<br />
einen Platz nach dem andern, bis das ganze linke Poufer in ihren Händen war.<br />
Nach dem Fall der reichen etruskischen Stadt Melpum (vermutlich in der Gegend<br />
von Mailand), zu deren Bezwingung sich die schon im Potal ansässigen Kelten<br />
mit neugekommenen Stämmen vereinigt hatten (358? 396), gingen diese letzteren<br />
hinüber auf das rechte Ufer des Flusses und begannen die Umbrer und Etrusker in<br />
ihren uralten Sitzen zu bedrängen. Es waren dies vornehmlich die angeblich auf<br />
einer anderen Straße, über den Pöninischen Berg (Großen St. Bernhard) in Italien<br />
eingedrungenen Boier; sie siedelten sich an in der heutigen Romagna, wo die alte<br />
Etruskerstadt Felsina, von den neuen Herren Bononia umgenannt, ihre Hauptstadt<br />
wurde. Endlich kamen die Senonen, der letzte größere Keltenstamm, der über die<br />
Alpen gelangt ist; er nahm seine Sitze an der Küste des Adriatischen Meeres von<br />
Rimini bis Ancona. Aber einzelne Haufen keltischer Ansiedler müssen sogar bis<br />
tief nach Umbrien hinein, ja bis an die Grenze des eigentlichen Etrurien vorgedrungen<br />
sein; denn noch bei Todi am oberen Tiber haben sich Steinschriften in<br />
keltischer Sprache gefunden. Enger und enger zogen sich nach Norden und Osten<br />
hin die Grenzen Etruriens zusammen, und um die Mitte des vierten Jahrhunderts<br />
sah die tuskische Nation sich schon wesentlich auf dasjenige Gebiet beschränkt,<br />
das seitdem ihren Namen getragen hat und heute noch trägt.<br />
Unter diesen, wie auf Verabredung gemeinschaftlichen Angriffen der verschiedensten<br />
Völker, der Syrakusaner, Latiner, Samniten und vor allem der Kelten brach<br />
die eben noch so gewaltig und so plötzlich in Latium und Kampanien und auf<br />
beiden italischen Meeren um sich greifende etruskische Nation noch gewaltsamer<br />
und noch plötzlicher zusammen. Der Verlust der Seeherrschaft, die Bewältigung<br />
der kampanischen Etrusker gehört derselben Epoche an, wo die Insubrer und Cenomaner<br />
am Po sich niederließen; und eben um diese Zeit ging auch die durch<br />
Porsena wenige Jahrzehnte zuvor aufs tiefste gedemütigte und fast geknechtete römische<br />
Bürgerschaft zuerst angreifend gegen Etrurien vor. Im Waffenstillstand mit<br />
Veii von 280 (474) hatte sie das Verlorene wiedergewonnen und im wesentlichen<br />
den Zustand wiederhergestellt, wie er zu der Zeit der Könige zwischen beiden Nationen<br />
bestanden hatte. Als er im Jahre 309 (445) ablief, begann zwar die Fehde<br />
aufs neue; aber es waren Grenzgefechte und Beutezüge, die für beide Teile ohne