Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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192 KAPITEL 9. KUNST UND WISSENSCHAFT<br />
im saturnischen Maße.<br />
Wie die Anfänge der römischen Schaubühne so gehören auch die Anfänge der<br />
römischen Geschichtschreibung in diese Epoche, sowohl der gleichzeitigen Aufzeichnung<br />
der merkwürdigen Ereignisse wie der konventionellen Feststellung der<br />
Vorgeschichte der römischen Gemeinde.<br />
Die gleichzeitige Geschichtschreibung knüpft an das Beamtenverzeichnis an.<br />
Das am weitesten zurückreichende, das den späteren römischen Forschern vorgelegen<br />
hat und mittelbar auch uns noch vorliegt, scheint aus dem Archiv des kapitolinischen<br />
Jupitertempels herzurühren, da es von dem Konsul Marcus Horatius an,<br />
der denselben am 13. September seines Amtsjahres einweihte, die Namen der jährigen<br />
Gemeindevorsteher aufführt, auch auf das unter den Konsuln Publius Servilius<br />
und Lucius Aebutius (nach der jetzt gangbaren Zählung 291 der Stadt 463) bei<br />
Gelegenheit einer schweren Seuche erfolgte Gelöbnis: von da an jedes hundertste<br />
Jahr in die Wand des kapitolinischen Tempels einen Nagel zu schlagen, Rücksicht<br />
nimmt. Späterhin sind es die Maß- und Schriftgelehrten der Gemeinde, das heißt<br />
die Pontifices, welche die Namen der jährigen Gemeindevorsteher von Amts wegen<br />
verzeichnen und also mit der älteren Monat- eine Jahrtafel verbinden; beide<br />
werden seitdem unter dem – eigentlich nur der Gerichtstagtafel zukommenden –<br />
Namen der Fasten zusammengefaßt. Diese Einrichtung mag nicht lange nach der<br />
Abschaffung des Königtums getroffen sein, da in der Tat, um die Reihenfolge der<br />
öffentlichen Akte konstatieren zu können, die offizielle Verzeichnung der Jahrbeamten<br />
dringendes praktisches Bedürfnis war; aber wenn es ein so altes offizielles<br />
Verzeichnis der Gemeindebeamten gegeben hat, so ist dies wahrscheinlich im gallischen<br />
Brande (364 390) zugrunde gegangen und die Liste des Pontifikalkollegiums<br />
nachher aus der von dieser Katastrophe nicht betroffenen kapitolinischen, so<br />
weit diese zurückreichte, ergänzt worden. Daß das uns vorliegende Vorsteherverzeichnis<br />
zwar in den Nebensachen, besonders den genealogischen Angaben nach<br />
der Hand aus den Stammbäumen des Adels vervollständigt worden ist, im wesentlichen<br />
aber von Anfang an auf gleichzeitige und glaubwürdige Aufzeichnungen<br />
zurückgeht, leidet keinen Zweifel; die Kalenderjahre aber gibt dasselbe nur unvollkommen<br />
und annähernd wieder, da die Gemeindevorsteher nicht mit dem Neujahr,<br />
ja nicht einmal mit einem ein für allemal festgestellten Tage antraten, sondern aus<br />
mancherlei Veranlassungen der Antrittstag sich hin und her schob und die häufig<br />
zwischen zwei Konsulaten eintretenden Zwischenregierungen in der Rechnung<br />
nach Amtsjahren ganz ausfielen. Wollte man dennoch nach dieser Vorsteherliste<br />
die Kalenderjahre zählen, so war es nötig, den Antritts- und Abgangstag eines jeden<br />
Kollegiums nebst den etwaigen Interregnen mit anzumerken; und auch dies<br />
mag früh geschehen sein. Außerdem aber wurde die Liste der Jahrbeamten zur Kalenderjahrliste<br />
in der Weise hergerichtet, daß man durch Akkommodation jedem<br />
Kalenderjahr ein Beamtenpaar zuteilte und, wo die Liste nicht ausreichte, Fülljah-