Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Zweites ... - nubuk.com
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fe und praktische Ehrfurcht, welche die Römer wie jedes andere politisch fähige<br />
Volk vor dem Prinzip der Autorität hegten, erzeugte den merkwürdigen Satz des römischen<br />
Staats- und Privatrechts, daß jeder nicht auf ein Gesetz gegründete Befehl<br />
des Beamten wenigstens während der Dauer seines Amtes gelte, obwohl er mit diesem<br />
wegfiel. Es ist einleuchtend, daß hierbei, solange die Vorsteher auf Lebenszeit<br />
ernannt wurden, der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung tatsächlich fast<br />
verschwinden mußte und die legislative Tätigkeit der Gemeindeversammlung keine<br />
Entwicklung gewinnen konnte. Umgekehrt erhielt sie einen weiten Spielraum,<br />
seit die Vorsteher jährlich wechselten, und es war jetzt keineswegs ohne praktische<br />
Bedeutung, daß, wenn der Konsul bei der Entscheidung eines Prozesses eine rechtliche<br />
Nullität beging, sein Nachfolger eine neue Instruktion der Sache anordnen<br />
konnte.<br />
Dies war endlich die Zeit, wo die bürgerliche und die militärische Gewalt sich<br />
voneinander sonderten. Dort herrscht das Gesetz, hier das Beil; dort waren die konstitutionellen<br />
Beschränkungen der Provokation und der regulierten Mandierung<br />
maßgebend 5 , hier schaltete der Feldherr unumschränkt wie der König. Es stellte<br />
sich fest, daß der Feldherr und das Heer als solche die eigentliche Stadt regelmäßig<br />
nicht betreten durften. Daß organische und auf die Dauer wirksame Bestimmungen<br />
nur unter der Herrschaft der bürgerlichen Gewalt getroffen werden konnte,<br />
lag nicht im Buchstaben, aber im Geiste der Verfassung; es kam freilich vor, daß<br />
gelegentlich diesem zuwider der Feldherr seine Mannschaft im Lager zur Bürgerversammlung<br />
berief und rechtlich nichtig war ein solcher Beschluß nicht, allein die<br />
Sitte mißbilligte dieses Verfahren und es unterblieb bald, als wäre es verboten. Der<br />
Gegensatz der Quiriten und der Soldaten wurzelte allmählich fest und fester in den<br />
Gemütern der Bürger.<br />
Indes, um diese Folgesätze des neuen Republikanismus zu entwickeln, bedurfte<br />
es der Zeit; wie lebendig die Nachwelt sie empfand, der Mitwelt mochte<br />
die Revolution zunächst in einem andern Lichte erscheinen. Wohl gewannen die<br />
Nichtbürger dadurch das Bürgerrecht und gewann die neue Bürgerschaft in der<br />
Gemeindeversammlung weitgreifende Befugnisse; aber das Verwerfungsrecht des<br />
patrizischen Senats, der gleichsam wie ein Oberhaus jenen Komitien in fester Geschlossenheit<br />
gegenüberstand, hob rechtlich die freie Bewegung derselben gerade<br />
in den entscheidendsten Dingen auf und war tatsächlich zwar nicht imstande, den<br />
ernstlichen Willen der Gesamtheit zu brechen, aber doch, ihn zu verzögern und<br />
zu verkümmern. Schien die Adelschaft, indem sie es aufgab, allein die Gemeinde<br />
zu sein, nicht allzuviel verloren zu haben, so hatte sie in anderen Beziehungen<br />
5 Es mag nicht überflüssig sein zu bemerken, daß auch das iudicium legitimum wie das quod<br />
imperio continetur auf dem Imperium des instruierenden Beamten beruht und der Unterschied nur<br />
darin besteht, daß das Imperium dort von der Lex beschränkt, hier aber frei ist.<br />
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