Wissenschaftliche Arbeit Mag. Fehringer_Langfassung.pdf
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Matura sollte Vorbedingung für das pharmazeutische Studium werden – für die<br />
‚Sozialisierung‘ zu gewinnen. 63 Weiters setzte Dr. Tandler noch 1919 seinen Plan durch,<br />
die Vergabe von Neukonzessionen zu stoppen, und erklärte, dass dies eine Reaktion<br />
gegen den Apothekenschacher sei und der Vergabestopp bis zur Änderung des<br />
Apothekengesetzes aufrecht bleiben werde. Erst am 31. Mai 1920 informierte Dr. Julius<br />
Tandler die Vertreter der Standesorganisationen über den fertigen Gesetzesentwurf, der<br />
eine allmähliche ‚Sozialisierung‘ der Apotheken vorsah. Dies sollte dadurch geschehen,<br />
dass einerseits keine Konzessionen für Apothekenneuerrichtungen mehr verliehen werden<br />
sollten, und andererseits dem Staat bei Verkauf der Apotheke ein Vorkaufsrecht<br />
eingeräumt werden musste. Neue Apotheken sollten als Staatsapotheken errichtet und<br />
von befugten PharmazeutInnen als PächterInnen betrieben werden. Aus den Gewinnen<br />
dieser Staatsapotheken sollten in weiterer Folge weitere Betriebe aufgekauft werden,<br />
sodass nach und nach alle Apotheken in Staatsbesitz kommen sollten. 64 Dr. Tandler sah in<br />
dieser Gesetzesnovelle die Möglichkeit, den angestellten ApothekerInnen den Zugang zur<br />
Selbstständigkeit zu erleichtern, 65 und gab den Standesvertretungen bis Mitte Juli 1920<br />
Zeit, ihre Bedenken zu dieser Gesetzesnovelle zu äußern. In mehreren Eingaben der<br />
angestellten PharmazeutInnen wie auch der ApothekenbesitzerInnen wurde dieser<br />
Vorschlag einhellig und vehement abgelehnt, und es wurden Gegenentwürfe zur<br />
Gesetzesnovelle vorgelegt. So forderten die ApothekenbesitzerInnen einen klaren und<br />
detaillierten Ablösungsschlüssel sowie längere Übergangsfristen und wiesen nachdrücklich<br />
auf die Schwierigkeiten hin, die bei der Umsetzung eines solchen Gesetzes zu<br />
erwarten waren. Die angestellten ApothekerInnen kritisierten ihrerseits, dass das Staatsamt<br />
sich nicht an den Verhältnissen in Deutschland orientiere, und wollten der Novelle nur<br />
dann zustimmen, wenn die Altersversorgung der StaatspächterInnen und deren Angehörigen<br />
sowie das Selbstbestimmungsrecht des Standes gesichert wären. Sie bezeichneten<br />
den Gesetzesentwurf als „ein Werk nichtfachmännischer Hände“, 66 welches die<br />
Lage der angestellten PharmazeutInnen verschlechterte und daher unannehmbar sei. Der<br />
Pharmazeutische Standesrat brachte auch einen Gegenvorschlag zum bestehenden<br />
Gesetzesentwurf vor. Alle bestehenden Apotheken und alle neu zu errichtenden<br />
Apotheken sollten in einem einheitlichen, gesellschaftlich geführten Unternehmen<br />
63 Vgl. Sablik, Julius Tandler, 178f.; Gulick, Österreich von Habsburg zu Hitler, 181ff.; vgl. Pharmazeutische Presse,<br />
Nr. 25 (1920), 63 u. 69.<br />
64 ÖStA, AdR, BMfsV, Kt. 1743, 31551-22, 27321-21, 4232-20.<br />
65 Vgl. Julius Tandler, Das Volksgesundheitsamt in der Zeit von Mitte 1919 bis Mitte Mai 1920, Wien 1920, 6f.<br />
66 ÖStA, AdR, BMfsV, Kt. 1743, 31551-22, 16613/20, Äußerungen der angestellten Pharmazeuten und Äußerung der<br />
Apothekerschaft.<br />
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