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Arbeit Leserbriefe - Erkenne

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Aufklärung / Krise heißt Untergang<br />

Von: Gerhard Olinczuk (hausgallin@msn.com)<br />

Gesendet: Donnerstag, 27. November 2008 16:11:04<br />

leserbriefe@spiegel.de; briefe@stern.de; service@mz-web.de; info@zdf.de; info@daserste.de;<br />

An:<br />

sekretariat@dbk.de; leben@zeit.de; info@gruene.de<br />

Verehrte Damen, geehrte Herren<br />

Leserbrief 00308<br />

Wäre die Finanz- und Wirtschaftskrise eine Finanz- und Wirtschaftskrise, so könnte der Kollektiv-Krüppel seine<br />

Krücke flicken, sich erheben und in eine Wiederholung flüchten. Doch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist keine<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise.<br />

Gleichnis von der Krise<br />

Eine Ehefrau, Mutter und Hausfrau lebte mit Ihrem Ehemann, den Kindern und Alten in einem großen Haus.<br />

Während der Mann außerhalb arbeitete, kümmerte Sie Sich um die Erziehung der Kinder, versorgte Küche, Herd,<br />

Tisch, Haus, Hof und Garten, pflegte die Alten und erfüllte vielerlei Pflichten und Aufgaben. Sie putzte und kochte,<br />

bediente und räumte, wusch und flickte, reinigte und werkelte, pflanzte und erntete, tröstete und verwöhnte,<br />

umhegte, pflegte, sorgte, besorgte und entsorgte. Ihr Tun füllte jeden Tag an deren sieben die Woche. Sie war am<br />

Morgen die Erste und am Abend die Letzte. Alle Kraft, Absicht und Sinn flossen in diese Existenz, in dieser Sie ein<br />

erfülltes Leben, ein ehrbares Dasein, liebende Anerkennung und Gottes Wohlwollen wähnte.<br />

Doch tatsächlich verkörperte Sie ein Hotel-Mama, in diesem Sie alle Personelle Besetzung innehatte und gleichwohl<br />

ausführte. Von Geburt an war Sie, ohne es zu wissen, in dieses Rollen-System hineingewachsen. Sie war<br />

Schauspielerin eines verstaubten Drehbuchs, dieses lange vor Ihrer Zeit geschrieben. Sie glich einer Leinwand, auf<br />

diesem ein Film abgespult wurde, dessen Regisseur Sie nicht kannte, von dem Sie nicht einmal wusste. Sie war nur<br />

die Projektionsfläche derer, die Sie bediente bzw. die sich Ihrer bedienten. Sie verkörperte eine unbewusste,<br />

also wesensentrückte Existenz, ein fremdbestimmtes Dasein. Sie "lebte" nicht, sondern folgte einem mechanischen<br />

Programm. Es gab Sie nicht wirklich, Sie war nicht anwesend, denn Ihr Selbst, Ihr Ich war nicht bewusst.<br />

Die Trägheit und Bequemlichkeit der Mitspieler verstand sie als Ihres Daseins Inhalt und Aufgabe, die Erfüllung deren<br />

aller Wünsche durch Sie als Tugend, widerspruchlose Ergebenheit als Hingabe und schweigenden Schmerz als<br />

Demut. Das Diktat Ihrer "Gäste" war Ihrer Weise Grund und Berechtigung, das durch deren Bedient-Werden<br />

begründete Gebraucht-Werden war Ihr Bestätigung, deren minderwertige Wichtigkeit Ihr Selbstwert, deren<br />

Selbstgerechtigkeit Ihr Herausforderung und Kampf. Sie kannte weder Hader noch Zweifel, weder Widerspruch noch<br />

Aufbegehren. Die Ihr zugedachte Statistenrolle zelebrierte Sie in erschreckender Perfektion, Ihre Auftritte erschienen<br />

vollendet und Ihre Texte offenbarten beherrschte Routine. Doch ohne die familiäre Filmprojektion war die<br />

"Leinwand" nicht mehr denn ein billiges Leichentuch.<br />

Nicht erkannte Sie diese Wirklichkeit. Von Zeit zu Zeit ward Ihr elendig und schwach, Ihre Beine schwer. Nur mit<br />

Mühe folgte Sie sodann Ihren Pflichten. Sie verdrängte und verheimlichte die Anfälle von Schwindel, die Ausfälle und<br />

Stürze, und schwindelte Sich und den Anderen, diese seien nicht mehr, denn Ausrutscher. Sie fürchtete Schmerz,<br />

Anklage und Verlust. Also verdrängte und flüchtete Sie, bis Sie fiel. Sie fiel hart und schwer, und blieb liegen. Ihre<br />

Weise kam zu Fall, unterbrochen also durch einen psychisch-physischen Kollaps, einem Nervenzusammenbruch,<br />

welcher ein Hinweis war und eine Warnung.<br />

In der Klinik wurde Sie wieder aufgedopt, hergerichtet für die Fortsetzung Ihrer Rolle. Sie wusste nicht, dass Ihrem<br />

Blut rote Blutkörperchen entnommen worden waren, um durch andere Stoffe ersetzt zu werden. Nun bediente und<br />

mästete Sie auch noch die Medizin und die Pharmaindustrie. Alsbald ward Sie von Fremden und Unbekannten wieder<br />

beglückt bzw. bekrückt und kehrte Heim an Haus und Herd. Sie vorfand der Ihren allgemeine Erleichterung, doch<br />

nicht erreichte und reichte Sie mehr das Gewohnte. Bald fiel Sie wieder, härter, schwerer. Der Schein hatte nicht<br />

gehalten und wiederholte sein Zerbrechen.<br />

Später, viel später, doch nicht zu spät, fand Sie der Zweifel, hierin die Sinnfrage. Und in der Stille verneinte Sie Sich<br />

und alle Erfahrung, und erwachte im Ja, im Eigenen, im Unbekannten. Sie sah die Lügen Ihrer Vergangenheit,<br />

erkannte Missbrauch, Selbstbetrug und Raubbau. Wo Sie bisher Liebe wähnte, erkannte Sie die Verstrickung von<br />

Minderwert und Egoismus, vermeintliche Werte offenbarten sich als dämonische Abhängigkeiten und Strategien, das<br />

familiäre Bildnis wandelte sich im Licht der Aufklärung in einen Mülleimer gemeinsamer Lebenslügen und<br />

Selbstgerechtigkeit. Sie fiel in tiefsten Schmerz, dieser den Vorhang teilte und das Heil eröffnete. Sie starb viele<br />

Tode, in diesen Sie das Leben gebar. Sie verlor alles und fand mehr. Alles verging und Sie ward neu. Nichts stimmte<br />

mehr und Sie wurde wahr. Sie wusste sich allein und besiegte die Furcht. Sie entriss Sich der Dunkelheit und schritt<br />

ins Licht. Sie ging Sich Selbst entgegen und nichts konnte mehr so kommen, wie es zuvor war.

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