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Korsika Reiseführer

Das Symbol korsischer Freiheit, der schwarze Kopf mit weisser Stirnbinde, ist auf der Insel allgegenwärtig. Und auch in unseren Breitengraden entdeckt man hin und wieder einen Aufkleber auf der einen oder anderen Heckklappe. Doch was hat es mit diesem Kopf auf sich? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Das Symbol korsischer Freiheit, der schwarze Kopf mit weisser Stirnbinde, ist auf der Insel allgegenwärtig. Und auch in unseren Breitengraden entdeckt man hin und wieder einen Aufkleber auf der einen oder anderen Heckklappe. Doch was hat es mit diesem Kopf auf sich? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

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kostenloser Online-<strong>Reiseführer</strong> über <strong>Korsika</strong> von Martin Lendi www.paradisu.de<br />

Immer noch rätselt man über die Erbauer jener turmartigen Bauten, wie zum Beispiel<br />

den Turm von Tappa, die man unter Erdhügeln angelegt wähnt und die Begräbnisstätten<br />

waren. S. v. Reden schliesst einen atlantischen Einfluss nicht aus, entdeckt aber auch<br />

Verwandtschaft zu den Nawamis des Sinaigebietes. Ebenfalls könnten diese Bauwerke<br />

eventuelle Vorläufer der von R. Grosjean in Filitosa entdeckten Kultur sein, die er nach<br />

ihren typischen Kultkonstruktionen 'Torre' als Torreaner bezeichnete. Obwohl mit Sardinien<br />

in jener Zeit ein eifriger Obsidianhandel bestand und verwandte megalithische Bauten<br />

(Nuraghen) auf auf der Nachbarinsel vorkommen, konnten hier keine torreähnlichen<br />

Monumente entdeckt werden. Sie erinnern eher an die balearischen Talayots, die, ebenfalls<br />

Totenmale, aber eindeutig jünger sind (1000 - 300 v. Chr.)<br />

Die Träger der Torre-Kultur, die Torreaner, sind nach Grosjean nicht vor etwa 1600 v.<br />

Chr. (mittlere Bronzezeit) erschienen. In zwei Gebieten <strong>Korsika</strong>s treten diese Bauwerke<br />

gehäuft auf: im Ornano/Sartenais und im Gebiet um Porto Vecchio. Man geht davon aus,<br />

dass die Torreaner im Golf von Porto Vecchio landeten, denn hier finden sich noch Reste<br />

von Turmbauten, die noch keinen Wehrcharakter haben und auf einen ungestörten Kult<br />

hinweisen (Torre, Ceccia). Von dort aus rückten die Torreaner allmählich in die Kerngebiete<br />

der Megalithiker an der Südwestküste vor, wovon auch Radiokarbondatierungen<br />

zeugen. Dieses Vorrücken scheint aber nicht ohne Blutvergiessen abgelaufen zu sein. Da<br />

die Torreaner mit ihren langen Bronzeschwertern und Dolchen späthelladischer Form<br />

ausgerüstet waren, waren sie den Megalithikern mit ihren Steinschleudern und Pfeilspitzen<br />

von Vornherein überlegen [F. Lanfranchi und M. C. Weiss fanden aber beim Alignement<br />

de Pallagiu einen Dolch aus Bronze, was beweist, dass die Megalithiker schon vor<br />

dem Auftreten der Torreaner eine Metallverarbeitung kannten: Aleria/Terrina]. In Filitosa<br />

zeigt sich am deutlichsten der Beweis für jene kriegerischen Auseinandersetzungen: Das<br />

ehemalige Dorf der Megalithiker wurde von den Torreanern zerstört; diese zerschlugen<br />

den Kult- und Opferplatz mit seinen Menhirstatuen und verwendeten sie als Baumaterial<br />

für ihre eigenen Monumente.<br />

Der typische Torre besteht aus Zyklopenmauerwerk mit nur einem Raum und gleicht einem<br />

runden Bienenkorb auf breitem Sockel. Sein Grundschema wurde jedoch häufig abgewandelt,<br />

indem man gewachsenen Fels, weitere Gänge und Nebenkammern in die Anlage<br />

einbezog. Durch einen weiteren , grossen, von einem Türsturz überdachten Eingang<br />

gelangt man in die Hauptkammer (Cella), die von einer falschen Kuppel (Kragkuppel)<br />

nach oben abgeschlossen war. Die Höhe der Torre schwankt zwischen 3 und 7 Meter, ihr<br />

Durchmesser konnte 15 Meter erreichen. Dieser Zentralbau wird von einem Wall umgeben,<br />

der um den Torre eine erhöhte Plattform bildet, die nur durch den Eingang unterbrochen<br />

wird. Dicke Aschenlagen in den verschiedensten Monumenten lassen an Feuertempel<br />

oder Krematorien denken; als Wohn- und Verteidigungstürme kommen sie nicht<br />

in Frage, da sie viel zu klein sind, im Gegensatz zu den sardischen Nuraghen.<br />

Zwischen 1400 und 1100 v. Chr. fällt die kriegerische Auseinandersetzung der Torreaner<br />

mit den Megalithikern. Mächtige Befestigungsmauern entstanden rings um die früher erbauten<br />

Torre und ungeschützten Dörfer. Später suchte man eher abgelegene Schutzanlagen<br />

auf (Cucuruzzu). Genau in diese Phase fallen die Darstellungen erster bewaffneter<br />

Menhirstatuen, die nach Grosjeans Ansicht nur Siegestrophäen der getöteten torreanischen<br />

Feinde bedeuten können. Als Darstellungen heroisierter Ahnen kämen sie keinesfalls<br />

in Frage, da die skulptierten Bronzewaffen, die bei den Megalithikern unbekannt waren,<br />

dagegen sprechen würden. [Diese Theorie ist heute aber überholt worden. Für F.<br />

Lanfranchi und M. C. Weiss stellen die bewaffneten Menhirstatuen einheimische Krieger<br />

dar.]<br />

Betrachtet man die einzelnen bewaffneten Menhirstatuen von Filitosa genauer, so fallen<br />

die langen Schwerter und kurzen Dolche ägäischen Stils, die halbrunden Lederhelme mit<br />

oder ohne Nackenschutz, fischgrätenartig gestreifte Muster an den Rückenpartien, die<br />

wahrscheinlich Brustharnische darstellen, und seitliche Vertiefungen an einigen Helmen,<br />

die als Einstecklöcher für Hörner interpretiert werden, auf. Aufgrund dieses Erscheinungsbildes<br />

hat Grosjean angenommen, dass es sich bei den Torreanern um das Seevolk<br />

der Shardana handeln müsse (ihren Namen bringt man seit langem auch mit Sardinien in<br />

Verbindung).<br />

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