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Korsika Reiseführer

Das Symbol korsischer Freiheit, der schwarze Kopf mit weisser Stirnbinde, ist auf der Insel allgegenwärtig. Und auch in unseren Breitengraden entdeckt man hin und wieder einen Aufkleber auf der einen oder anderen Heckklappe. Doch was hat es mit diesem Kopf auf sich? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Das Symbol korsischer Freiheit, der schwarze Kopf mit weisser Stirnbinde, ist auf der Insel allgegenwärtig. Und auch in unseren Breitengraden entdeckt man hin und wieder einen Aufkleber auf der einen oder anderen Heckklappe. Doch was hat es mit diesem Kopf auf sich? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

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kostenloser Online-<strong>Reiseführer</strong> über <strong>Korsika</strong> von Martin Lendi www.paradisu.de<br />

Pasquale Paoli - Der Vater des Vaterlandes<br />

Pasquale Paoli war der jüngste Sohn Hyacinths. Er wurde am 6. April 1725 in Morosaglia<br />

geboren. Sein Vater war Mitglied des Triumphirats, als am 6. Januar 1735 <strong>Korsika</strong>s Unabhängigkeit<br />

ausgerufen wurde. 1739 aber musste er in die Verbannung nach Italien und<br />

nahm seinen jüngsten Sohn, damals vierzehn Jahre alt, mit. In Neapel genoss Pasquale<br />

eine exzellente Bildung bei den berühmtesten Männern der Stadt. Er wurde unter anderem<br />

in Geschichte und Staatsökonomie unterrichtet. Seine Lehrer erkannten bald das<br />

Genie. Auch in der Armee zeigte Paoli seine Qualitäten. Er war Soldat in Diensten Neapels<br />

und wurde durch seine Tapferkeit im kalabrischen Krieg namhaft.<br />

Als die in <strong>Korsika</strong> eingesetzte Junta den Bedürfnissen nicht entsprach, war Clemens Paoli<br />

es selbst, der die Wünsche der Korsen auf seinen Bruder Pasquale lenkte. Er schrieb ihm<br />

eines Tages, dass er auf seine Insel zurückkehren sollte, da es der Wille seiner Landleute<br />

sei, ihn als General an ihre Spitze zu setzten. 'Geh, mein Sohn', sagte der alte Hyacinth<br />

zu ihm, 'tue deine Pflicht und sei der Befreier deines Vaterlandes!'<br />

Am 29. April 1755 landete der junge Paoli in Aleria. Er war gerade erst dreissig Jahre alt<br />

geworden. 'Er brachte nichts mit als seine Liebe zum Vaterland, seine Willenskraft, seinen<br />

Geist und seine Philosophie, mit der er ein verwildertes, von Familienhass und der<br />

Blutrache zerfleischtes Naturvolk befreien und zu einer sittlichen Staatsgesellschaft umbilden<br />

wollte.' Durch seine edle Gestalt und seines klaren Versandes erweckte er sogleich<br />

das Vertrauen des Volkes.<br />

Am 14. Juli 1755 wurde Paoli an der Volksversammlung in Sant' Antonio della Casabianca<br />

zum General der korsischen Nation gewählt. Zu der Zeit war der grösste Teil der Insel<br />

frei. Die Genuesen hielten lediglich die Festungen, rüsteten sich aber zum Krieg. Die Korsen<br />

selbst waren es nicht gewöhnt Gesetzte zu haben. Die Blutrache, diese grausame<br />

Selbstjustiz, hielt die Insel in Atem. Ackerbau, Industrie und Wissenschaft waren stark<br />

vernachlässigt oder gar nicht vorhanden. Lediglich die Vaterlandsliebe und der Freiheitssinn<br />

der Korsen war stark ausgebildet.<br />

Als erstes wurde ein Gesetz erlassen, welches die Vendetta mit dem Tod bestrafte. Als<br />

ein Verwandter Paolis diesem Gesetz zum Trotz Blutrache ausübte, liess er ihn hinrichten.<br />

Diese unparteiische Gerechtigkeit machte dem Volk tiefen Eindruck.<br />

Paoli macht Corte im Herzen <strong>Korsika</strong>s zur Hauptstadt. Er erarbeitete die erste demokratische<br />

Verfassung überhaupt und das rund dreissig Jahre vor der Tea-Party in Boston oder<br />

der französischen Revolution. Paolis Idee war, dass die Macht alleine vom Volk aus geht<br />

und den Zweck hat, dessen Wohl zu erhalten. Jean Jacques Rousseau meinte 1762: "In<br />

Europa gibt es noch ein der Gesetzgebung fähiges Land, nämlich die Insel <strong>Korsika</strong>. Der<br />

Mut und die Beharrlichkeit, mit der dieses tapfere Volk seine Freiheit wiederzuerlangen<br />

und zu verteidigen wusste, verdienten wohl, dass ein weiser Mann es lehre, sie zu bewahren.<br />

Ich habe eine gewisse Vorahnung, dass diese kleine Insel Europa eines Tages in<br />

Staunen versetzten wird."<br />

Paoli widmete dem Ackerbau grosse Aufmerksamkeit; schliesslich brauchte das Volk Nahrung.<br />

Man pflanzte Öl- und Kastanienbäume sowie Mais. Sümpfe wurden trockengelegt<br />

und bessere Wege gebaut. 'Mit der einen Hand wehrte damals der Korse seinen Feind ab,<br />

mit der anderen streute er Pflanzensamen in seine Erde.'<br />

Auch die Wissenschaft wurde stark gefördert; Wissen ist ja bekanntlich Macht. Genua, so<br />

sagt man, habe das Schulwesen absichtlich vernachlässigt. Nun entstanden überall<br />

Volksschulen und die Geistlichen unterrichteten die Jugend. In Corte wurde eine Druckerei<br />

errichtet, aus welcher Bücher für den Unterricht hervorgingen. 1764 eröffnete Paoli<br />

ebenfalls in Corte die korsische Universität. Man lehrte auf ihr Philosophie, Mathematik,<br />

Recht, Humanitätswissenschaften und Theologie. Da die nötigen Instrumente fehlten,<br />

gab es keinen Lehrstuhl für Medizin und Chirurgie. Alle Professoren waren Korsen. Arme<br />

Schüler wurden auf Kosten des Staates verpflegt. Am Ende jeden Kurses wurde eine feierliche<br />

Prüfung in Gegenwart der Generalversammlung (Consulta) und der Regierung<br />

(Consiglio supermo) abgehalten. Vor ihren Augen wurde den jungen Bürgern klar, das sie<br />

bald aktiv am Staat mitarbeiten werden.<br />

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